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Detlev Spangenberg
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Frage von Mario S. •

Frage an Detlev Spangenberg von Mario S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte/r Abgeordnete/r,

ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit zu den Jamaika-Sondierungen 2017. Um möglichst viele Eindrücke, Hintergründe und Ideen zu sammeln, habe ich mich entschlossen, Sie als gewählte/r Abgeordnete/r anzuschreiben. Dabei interessiert mich vor allem Ihre Meinung zu den gescheiterten Verhandlungen. Was könnte der Grund für das Scheitern sein? Welche Folgen machen Sie an dem Scheitern fest? Wie haben Sie die Verhandlungen und das Ergebnis verfolgt?
Welche Motivation gibt/gäbe es für Ihre Partei, in eine Regierung einzutreten und wie können Parteien wieder stärker die Gunst des Wählers erlangen? Welchen und wie viel Einfluss haben politische Parteien in Deutschland in der heutigen Zeit, auch im Vergleich zu anderen (europäischen) Ländern?
Abschließend würde mich noch interessieren, ob und inwiefern unser politisches (Wahl-)System in Zusammenhang mit der Thematik steht und wie es reformiert werden könnte.

Über Ihr Mitwirken würde ich mich sehr freuen. Falls Sie weitere Informationen (Links, Berichte etc.), wäre ich Ihnen sehr dankbar. Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen
M. S.

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Antwort von
AfD

Sehr geehrter Herr S.,

gerne will ich Ihre Fragen beantworten beziehungsweise darauf eingehen. Was die Koalitionsverhandlungen 2017 betrifft, können von meiner Seite selbstverständlich keine internen Kenntnisse erwartet werden. Vertreter der AfD konnten diese Koalitionsverhandlungen auch nur als Außenstehende, über Mediendarstellungen, wahrnehmen.

Hier gebe ich meine Einschätzung zu den Koalitionsverhandlungen 2017 und FDP ab

1. Die Erfahrungen von kleineren Koalitionspartnern der Union, besonders unter Angela Merkel, haben gezeigt, dass diese kleineren Koalitionsparteien im Laufe der Legislaturperiode zunehmend an die Wand gedrückt werden und am Ende mit Ansehensverlust und schlechten Wahlergebnissen zu kämpfen haben. Das hat sowohl die SPD mitgemacht und die FDP wurde sogar für eine Periode ganz aus dem Bundestag und Landesparlamenten herausgewählt.

2. Dazu kommt, dass die Union unter Merkel sich schrittweise grüner Ideologie und Politik zugewandt hat. Wurde die CDU unter Helmut Kohl und den Anfangsjahren von Merkel als Vorsitzende und Kanzlerin „sozialdemokratisiert“ und nach und nach in Richtung links geführt, so hat die CDU in den letzten Jahren deutliche Schritte in Richtung der GRÜNEN unternommen und führt mit Angela Merkel in verschiedenen Gebieten grüne Politik durch. Deutlich wurde das schon mit dem überhasteten „ATOM-Ausstieg“, maßgeblich betrieben durch die CDU, was Jahre davor undenkbar gewesen wäre. Es ist anzunehmen, dass man aufseiten der FDP im Laufe der Koalitionsgespräche dies bemerkte und fürchtete zwischen den Unionsparteien (CDU u. CSU) und den GRÜNEN aufgerieben zu werden und somit keine eigenen Akzente setzen zu können. Die FDP könnte befürchtet haben, nur als Ersatz-Mehrheitsbeschaffer wirken zu sollen.

3. Sympathien Angela Merkels für die GRÜNEN sind offenkundig; sie macht grüne Ideologie hoffähig, statt diese als Gegenmodell zu einer christlich-konservativen Unionspolitik herauszustellen, was im klassischen Parteienspektrum der BRD ihre Rolle gewesen wäre. Kritiker Merkels bzw. der heutigen Union sagen, die CDU (und die CSU dazu) in ihrer früheren Form sei durch Merkel und ihre Vertrauten abgeschafft worden. Vorarbeit leistete hierbei schon früh Heiner Geisler, der eine eher linke, extrem gesellschaftspolitisch liberale Haltung vertrat und diese in die CDU schrittweise einbrachte.

4. In den früheren Jahrzehnten war die FDP der nahestehende Mehrheitsbeschaffer für CDU-geführte Regierungen, jetzt wären es die GRÜNEN oder die geschwächte SPD. Wobei die SPD nur zweite Wahl dafür ist und diese Rolle eigentlich nicht mehr übernehmen wollte, wie es den Anschein hat. Martin Schultz hatte sich und die Sozialdemokratie auf die Rolle des Oppositionsführers eingeschworen; die Geschehnisse um die Koalitionsverhandlungen und die jetzige Koalition haben ihn in die politische Bedeutungslosigkeit verbannt und die SPD stark geschwächt. So passt die FDP auch heute nur scheinbar besser zur „Union von heute“ als die Bündnis-GRÜNEN. Christian Lindner (FDP) hat dies wahrscheinlich (verspätet) bemerkt und dann einen Rückzieher gemacht, zwar mit Schaden für die FDP, aber mit der Hoffnung, langfristig eine bessere Entscheidung getroffen zu haben.

Zu Ihren weiteren Fragen:

- Welche Motivation gibt/gäbe es für Ihre Partei, in eine Regierung einzutreten und wie können Parteien wieder stärker die Gunst des Wählers erlangen?

Unsere Partei, die Alternative für Deutschland, wurde Anfang 2013 gegründet, weil die bisherigen Parteien in den entscheidenden politischen und gesellschaftspolitischen Fragen sich voneinander nicht oder nur geringfügig unterscheiden und es in Deutschland an einer wirklichen parlamentarischen Opposition mangelt. Schon aufgrund dessen ist eine baldige Koalition, vor allem auf Bundesebene, kaum denkbar. Vor allem in außenpolitischen Fragen, Haltung zu EURO, EU und „europäischer Integration“, Einwanderungs- und Ausländerpolitik oder zahlreichen Angelegenheiten, bei welchen Politik einem absurden Zeitgeist hinterhereilt, findet sich für unsere Partei, quer durch alle anderen parlamentarische Parteien, aus meiner Sicht in absehbarer Zeit kein denkbarer Koalitionspartner.

In der Gunst der Bürger sind Parteien in Deutschland deutlich gesunken, weil in den vergangenen Jahren sich der Eindruck verfestigt hat – großenteils zu Recht - dass die natürlichen und berechtigten Interessen der Mehrheit, vor allem der deutschen, beziehungsweise deutschstämmigen Mittel- und Unterschicht in Politik und Mediendarstellung keine Bedeutung haben, deren Sorgen bagatellisiert werden und die Zukunft Deutschlands unwiederbringlich verspielt wird. Im Schnittpunkt all dessen stehen Parteien, die in Deutschland einen außerordentlich großen Einfluss haben, was überleitet zu Ihrer nächsten Frage.

- Welchen und wie viel Einfluss haben politische Parteien in Deutschland in der heutigen Zeit, auch im Vergleich zu anderen (europäischen) Ländern?

Deutschland wird von Kritikern gelegentlich als Parteienstaat bezeichnet, oder die Parteien hätten sich den Staat zur Beute gemacht. Da steckt viel Erkenntnis drin und verdeutlicht die missliche Lage. Das Grundgesetz räumt den Parteien einen großen Stellenwert ein – bes. verdeutlicht in Art. 21 (1), erster Satz „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ – in Verbindung mit der sehr schwach ausgeprägten Gewaltenteilung in der BRD (das als Gewaltenverschränkung bezeichnete Systemmerkmal der BRD ist faktisch das Gegenteil einer Gewaltenteilung), dem stark ausgebauten Föderalismus und einigen Strukturmerkmalen, z.B. über Zwangsbeiträge finanzierter Staatsfunk mit seiner dahinter stehenden Struktur, der politische Einfluss auf Bildungseinrichtungen und –inhalte uva. Parteien als Medienkonzerne mit zahlreichen Beteiligungen an Zeitungsverlagen, Finanzierung und mediale Unterstützung von bestimmten extremistischen Gruppierungen und gleichzeitige Behinderung und Kriminalisierung anderer gesellschaftlicher Bewegungen tragen dazu bei, dass ein Ungleichgewicht fortlaufend verstärkt wird und der Rechtsstaat schwindet. Parteien und in ihnen organisierte wenige Einzelpersonen haben sehr großen Einfluss. Viele von ihnen sind Parteifunktionäre, gleichzeitig Mitglied der Regierung, Abgeordnete in einem Parlament (und damit Mitglied einer Fraktion) und sind dazu häufig eng verwoben mit beziehungsweise Mitglieder in inländischen oder internationalen Lobbyorganisationen oder Interessengruppen. All dies, oder auch die Auswirkungen davon, bleiben einer steigenden Anzahl von Bürgern nicht verborgen. Parteien erscheinen vielen Leuten als Karriereleitern für wenige und nicht im Sinne der Bevölkerung agierende Machtapparate.

Im internationalen Vergleich nehmen wir mit dieser Struktur einen traurigen Spitzenplatz ein. Zur Mangelhaften Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland erhebt eine Entschließung des Europäischen Rates, von 2009, eine Forderung, die hierzulande allerdings unbeachtet blieb.
(Quelle: https://www.gewaltenteilung.de/wp-content/uploads/2014/05/europarat_unabh.jpg )

- Abschließend würde mich noch interessieren, ob und inwiefern unser politisches (Wahl-)System in Zusammenhang mit der Thematik steht und wie es reformiert werden könnte.

Im Zusammenhang mit dem oben Gesagten muss man weiter folgern, dass die rein repräsentative Demokratie zur Verwirklichung einer wirklich freiheitlich-demokratischen Ordnung und auch tatsächlich pluralistischen Gesellschaft und politischer Interessenwahrung der Mehrheit sich zunehmend als Sackgasse erweist. Wir haben es mit einer „Scheindemokratie“ zu tun. Es fehlt uns zu den sonstigen Mängeln des politischen Systems der BRD an einem Korrektiv, welches die Bürger direkt zu wesentlichen und schwerwiegenden Entscheidungen befragt beziehungsweise entscheiden lässt.

Hätten wir eine direkte Demokratie und Möglichkeiten der Volksentscheide, wäre sicherlich einiges anders verlaufen. Man denke hier an die Privatisierungen der Bahn und der Post, fragwürdige Kriegseinsätze unter Beteiligung der Bundewehr, das Schengen-Abkommen, die Einführung des EURO, die Absegnung des Lissabon-Vertrages, Abschaffung der Wehrpflicht, Einwanderung und Ausländerpolitik und andere große Fragen unserer Zeit. Allerdings muss man tatsächlich inzwischen die Frage stellen, inwieweit sich heute die gezielte Beeinflussung der Volksmeinung vor solchen Abstimmung durch bestimmte Medien, konzertierte Kampagnen und die geballte Schlagkraft von Nichtregierungsorganisationen auswirken würde und welche Aussage und Legitimität diese Abstimmungen damit hätten. Dennoch würde die Direkte Demokratie sicherlich dazu beitragen, eine vielfältigere, anspruchsvollere Debattenführung hervorzubringen und Politiker aus Regierung und Parlament in Erklärungszwänge zu führen.

Seit Jahrzehnten geben deutsche Parlamentarier politische Souveränität an demokratisch nicht legitimierte supranationale Organisationen ab – vor allem die EU – statt die Demokratie im eigenen Land zu stärken.

M.f.G. D. Spangenberg