Frage an Detlef Seif von Helmut H. bezüglich Soziale Sicherung
Betreff: Arbeitslosengeld II (Hartz IV) – Anpassung
Sehr geehrter Herr Seif,
Zum Betreff folgende Fragen an Sie:
1. Ist die EVS methodisch geeignet, ein Existenzminimum zu ermitteln? Das SOLL wird vom IST abgeleitet?
„[...] Die EVS [Einkommens- und Verbrauchsstichprobe] liefert unter anderem, [...], eine statistische Auswertung des Ausgabeverhaltens einzelner Bevölkerungs- und Einkommensgruppen. Sie stellt somit eine IST-Analyse dar. […] eine soziale Mindestsicherung, hingegen muss sich als SOLL-Größe definieren, [...]“
(siehe http://www.spiegelfechter.com/wordpress/4346/falsche-berechnungsgrundlage-bei-hartz-iv und http://www.spiegelfechter.com/wordpress/4229/kleinrechnerei-als-grosbetrug )
2. Sollte stattdessen nicht wieder zu einem – einvernehmlich zu vereinbarenden – Warenkorbmodell zurück gekehrt werden, das die tatsächlichen Mindestbedürfnisse der betroffenen Menschen sicher stellt?
Beispiel: Im Referentenentwurf zur Neufestsetzung des Hartz-IV-Regelsatzes findet sich ein monatlicher Betrag von 2,28 € für die Nutzung von Internetdienstleistungen. Es muss jedem klar sein, dass dieser Betrag keinen einzigen Hartz-IV-Empfänger in die Lage versetzt, zu den realen Preisen einen Internetzugang zu nutzen! Solche Beträge kommen m. E. durch eine statistikgläubige, Wort für Wort-Interpretation der EVS-Daten zustande. Hier wird gezeigt, dass statistische Methoden à la EVS denkbar ungeeignet sind zur Ermittlung von gegenwärtigen Bedarfen, wie dem Hartz-IV-Regelsatz.
Mir scheint – allgemein formuliert – die Regierung, die Politik, die Parteien sind sich nicht bewusst, welchen Gefahren sie sich und damit unsere Gesellschaft aussetzen durch solcher Art Umgang mit ihrer Verantwortung.
Im Voraus besten Dank für Ihre Antwort.
Freundliche Grüße nach Berlin
Hemut Höft
Sehr geehrter Herr Höft,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de zur Ermittlung des Regelbedarfs im SGB II.
Ende der 1980er Jahre wurde als Methode für die Ermittlung des Regelbedarfs die Einführung des sog. Statistikmodells beschlossen. Nach diesem Verfahren wird der Regelsatz über die tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten der untersten Einkommensgruppe ermittelt.
Datengrundlage ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die seit 1962 in fünfjährigem Turnus erhoben wird. Grund für die Einführung des neuen Verfahrens, waren die Erfahrungen mit dem von Ihnen erwähnten. „Warenkorbmodell“. Sie haben gezeigt, dass dieser ausschließlich auf normativen Entscheidungen beruht, die als willkürlich empfunden werden können. Das Statistikmodell hat sich bewährt und wurde ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht auch und gerade gegenüber der Warenkorbmethode als vorzugswürdig bestätigt (Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1, 3 und 4/09, Rn. 166, 167).
Wie im Urteil gefordert, werden die zur Berechnung von Regelsätzen und Regelleistungen erforderlichen einzelnen Ermittlungsschritte nun in einem Gesetzgebungsverfahren transparent und nachvollziehbar offengelegt.
Deshalb ist das Warenkorbmodell aus meiner Sicht nicht wieder einzuführen, sondern das Statistikmodell ist entsprechend den Vorgaben im Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiterzuentwickeln.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Seif, MdB