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Detlef Seif
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Frage von Theodor W. •

Frage an Detlef Seif von Theodor W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Abegordneter Seif,

erst mal darf ich Ihnen danken, dass die Bürgern auf diesem Weg die Möglichkeit geben sich unkompliziert mit Ihnen in Verbindung zu treten.

Durch die Medien erfahre ich, dass sich Gesundheitswesen große finanzielle Löcher auf tun. Können Sie mir sagen, was auf mich und meine Famile als gesetzlich Versicherte zu kommt?

Und warum unterstützen wir Griechenland mit hunderten Milliarden, wenn es uns selber fehlt? Ist die Gesundheit der eigenen Bevölkerung nicht wichtiger?

Herzliche Grüße

Weingarten

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Sehr geehrter Herr Weingarten,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 30. Juni 2010 bezüglich der geplanten Gesundheitsreform sowie der staatlichen Bürgschaften für Griechenland.

Ihre erste Frage bezieht sich auf die aktuelle Lage im Gesundheitssystem.

Im internationalen Vergleich ist das deutsche Gesundheitssystem vorbildlich. Dennoch zeigt es nicht genug Effizienz. Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist seit Jahrzehnten die große Herausforderung für die deutsche Gesundheitspolitik.

Der demographische Wandel spielt im Gesundheitswesen eine große Rolle. Das steigende Durchschnittsalter unserer Bevölkerung führt zu einer längeren Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen und somit auch zum Anstieg der Ausgaben für die Krankenkassen. Da die Krankenkassenbeiträge für Rentner geringer sind, führt das steigende Durschnittsalter gleichzeitig zu geringeren Einnahmen bei den Krankenkassen.

Eine Kostensteigerung wird durch den medizinisch-technischen Fortschritt verursacht. Dank Produktinnovationen und neuer Verfahren stehen den medizinischen Leistungserbringern vielfältigere und qualitativ bessere Behandlungsmethoden bei der medizinischen Diagnose und Therapie zur Verfügung. Ehemals nicht heilbare Krankheiten können heute behandelt werden. Dies führt aber zu höheren Ausgaben für die Krankenkassen.

Die gesetzlichen Krankenkassen stehen trotz der kostendämpfenden Gesundheitspolitik des Staates regelmäßig unter finanziellem Druck. Ohne weitere Maßnahmen ist für das Jahr 2011 mit einem Defizit von ca. 11 Milliarden Euro zu rechnen.

Gesundheitsminister Philip Rösler hat jetzt seine Finanzierungsmaßnahmen zur gesetzlichen Krankenversicherung vorgestellt. Es sieht strukturelle Reformen im System vor, die zu mehr Wettbewerb, mehr Freiheit für die Patienten und weniger Bürokratie führen sollen. Dazu gehören unter anderem eine Honorarreform für den ambulanten Bereich, eine Ausweitung der Kostenerstattung, eine Reform der Selbstverwaltungsorgane, die Entwicklung einer Präventionsstrategie sowie der Ausbau der Gesundheits- und Versorgungsforschung.

Damit die entstehenden Kosten weiterhin finanziert werden können, soll der Beitrag der gesetzlichen Krankenkassen von derzeit 14,9 Prozent auf 15,5 Prozent angehoben werden. Nach dem vorgelegten Entwurf sollen die Kassen berechtigt sein, Zusatzbeiträge zu erhöhen, die nicht auf einen bestimmten prozentualen Wert (aktuell: 1 Prozent des Einkommens) begrenzt sind. Übersteigt der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2 Prozent des individuellen sozialversicherungspflichtigen Einkommens, greift die so genannte Überforderungsklausel. Dann findet ein Sozialausgleich statt, der im Gegensatz zum heutigen Recht nicht mehr beantragt werden muss, sondern automatisch erfolgt.

Nach jetzigen Berechnungen wird der vom Bundesversicherungsamt errechnete durchschnittliche Zusatzbeitrag bis zum Jahr 2014 voraussichtlich insgesamt 16 Euro nicht überschreiten.

Familienangehörige bleiben grundsätzlich beitragsfrei mitversichert.

Das von Bundesminister Rösler vorgestellte Reformkonzept wird nicht sofort umgesetzt. Zuerst muss der aktuelle Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag beschlossen werden. Die Beratungen beginnen im September dieses Jahres.
An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Reformprozess durch das hohe Maß an „Budgetierung“ und „Steuerung“ durch diverse Verbände, die organisierten Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser erschwert wird. Deren Einfluss ist maßgeblich zurückzudrängen.

Ihre zweite Frage bezieht sich auf die deutschen Bürgschaften für Griechenland.

Der Internationale Währungsfond, die Europäische Zentralbank und die einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich darauf verständigt, Griechenland die Bürgschaften zur Aufnahme von Krediten bereit zu stellen. In Deutschland wurden insgesamt Bürgschaften in Höhe von 22,4 Milliarden Euro bereit gestellt. Im ersten Jahr kann die Hellenische Republik Kredite in einem Volumen von 8,4 Milliarden Euro von der Kreditanstalt für Wiederaufbau abrufen, in den beiden Folgejahren – in Höhe von jeweils 7 Milliarden Euro. Durch die bloße Auszahlung der Kredite werden der Bundeshaushalt und der deutsche Steuerzahler nicht belastet. Die Kredite werden mit einem Zinszuschlag von 300 Prozentpunkten an Griechenland vergeben, so dass die Griechen letztlich einen Zinssatz von über 5 Prozent zu leisten haben.

Lässt man sämtliche Argumente der Solidarität und eines einheitlichen Europas außer Acht und schiebt man auch die Verdienste Europas an der Sicherung des Friedens in den letzten Jahrzehnten vollkommen beiseite, so war alleine unter fiskalischen und finanzpolitischen Gesichtspunkten die Bereitstellung von Bürgschaften meines Erachtens unumgänglich.

Griechenland hat sich durch drastische Sparmaßnahmen auf einen Konsolidierungskurs begeben.

Aufgrund einer deutlichen Überschuldung, bei der die Kriterien des Stabilitätspaktes missachtet wurden und die griechische Vorgängerregierung sogar Daten „getürkt“ hatte, wurde die Öffentlichkeit, aber auch die Europäische Union in den letzten Jahren darüber getäuscht, dass Griechenland eigentlich nicht die Voraussetzungen des Stabilitätspaktes erfüllt.

Ich darf daran erinnern, dass die Hellenische Republik trotz des erheblichen Widerstands von Unionspolitikern seinerzeit auf Wunsch und Empfehlung der rot-grünen Bundesregierung in die Währungsunion aufgenommen wurde. Leider hatte man es in der Euro-Währungsunion bislang versäumt, geeignete Kontrollmechanismen umzusetzen, die eine zielgerichtete Überwachung sicherstellen und damit letztlich auch die Einhaltung der Kriterien des Stabilitätspaktes.

Griechenland hat – gerade in den nächsten drei Jahren – bei Umsetzung eines sehr ambitionierten Konsolidierungsprogramms vorübergehenden Kreditbedarf, der sich derzeit auf dem Kapitalmarkt nicht decken lässt. Dies dürfte letztlich auch die Folge des fortgesetzten Vertrauensverlustes sein, der durch die Finanzmarktkrise einsetzte.

Der Internationale Währungsfond vertritt die Einschätzung, dass das Maßnahmenpaket geeignet ist, um die Krise zu überwinden. Ob dies im Ergebnis tatsächlich ohne Inanspruchnahme der Bürgschaften der Fall sein wird, kann derzeit niemand vorhersagen. Jedoch ist davon auszugehen, dass bei Fortsetzung des Konsolidierungskurses und Wiedererlangung des erforderlichen Vertrauens – damit Griechenland zukünftig wieder Kredite am freien Kapitalmarkt erhalten kann – die Krise überwunden wird und letztlich eine Inanspruchnahme der Bürgschaften nicht folgt.

Noch vor einigen Monaten hat der Wirtschaftsexperte Prof. Henrik Enderlein (SPD-Mitglied) in einer Sitzung des EU-Ausschusses die Meinung vertreten, dass Griechenland unter keinen Umständen geholfen werden soll. Griechenland müsse sich selbst helfen.

Zwischenzeitlich haben selbst Gegner unter den Experten, wie Prof. Enderlein, ihre Meinung geändert. In der Sitzung des Ausschusses für Europäische Angelegenheiten vom 5. Mai 2010 äußerte sich der Experte gegenläufig. Er teilte mit, dass er zwischenzeitlich die Erkenntnis habe, dass man in der Angelegenheit nicht warten könne. Würde das anvisierte Maßnahmenpaket nicht umgesetzt, könnte dies – angesichts erheblicher Spekulationen gegen den Euro in Gänze – zu einem „Flächenbrand“ in ganz Europa, insbesondere im Euro-Raum, führen, mit unabsehbaren Folgen für die Stabilität des Euro, aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung aller Mitgliedstaaten der Eurozone.

Letztlich geht es bei der Bereitstellung von Bürgschaften an die Hellenische Republik darum, das Vertrauen in die Eurozone wiederzugewinnen und ein deutliches Gegengewicht gegen die Spekulanten zu setzen, die in Börsengeschäften darauf „wetten“, dass der Euro an Wert verliert. Diese Entwicklung hat eine Eigendynamik entwickelt, die unüberschaubar ist.

Ich kenne keinen Abgeordneten, der sich die Entscheidung über die Bürgschaftsvergabe leicht gemacht hat. Auch ich war bei der Entscheidungsfindung, die über viele Sitzungen und etliche Stunden verlief, mehr als „hin- und hergerissen“.

Die Bereitstellung von internationalen Bürgschaften an Griechenland und das aktuelle Euro-Stabilisierungsgesetz sind aber im Ergebnis die richtigen Maßnahmen und alternativlos.

Ob die Maßnahmen letztlich den gewünschten Erfolg zeigen, hängt auch davon ab, ob sie von einer breiten Öffentlichkeit getragen werden, und in den nächsten Jahren das verloren gegangene Vertrauen in den Finanzmarkt wieder hergestellt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Detlef Seif MdB

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