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Danyal Bayaz
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Frage von Marco H. •

Frage an Danyal Bayaz von Marco H. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Guten Tag Herr Dr. Bayaz,

mich interessiert das Thema Auswanderung von Deutschen Bundesbürgern und Steuer-/Wirtschaftspolitik in einem gemeinsamen Kontext.

2019 sind ca. 270.000 Deutsche Staatsbürger aus der BRD ausgewandert. Ca. 3.5 Mio. Deutsche leben bereits im Ausland. 2/3 vorübergehend und 1/3 dauerhaft. Das Durchschnittsalter derer die Deutschland den Rücken kehren liegt bei ca. 36 Jahren. Bspw. ist jeder fünfte Arzt in der Schweiz Deutscher. Hier fehlen sie uns!

Die Bundesrepublik bietet zwar eines der großzügigsten Sozialsysteme der Welt (u.a. sehr attraktiv für gering qualifizierte Zuwanderung), hat auf der Gegenseite aber (mit) die höchste individuelle Steuer- u. Abgabenlast der EU u. der OECD.
Es liegt auf der Hand, dass sich junge und gut qualifizierte Menschen dreimal überlegen, ob sie ihre Zukunft in Deutschland sehen und sich vom Staat und seinem Nimmersatten Abgabenhunger weiter schröpfen lassen möchten. Zur Erinnerung - in 2021 steigt der Strompreis, der Treibstoffpreis und z.T. wieder die SV-Abgaben.

Wie kann künftige grüne Politik

a) der Abwanderung von hoch Qualifizierten entgegenwirken
b) die Zuwanderung von gering Qualifzierten aus EU Mitglieds- u. aus Drittstaaten langfristig minimieren und
c) die Steuer- und Abgabenlast in eine für viele Arbeitnehmer verträgliche Balance bringen oder gar reduzieren?

Herzlichen Dank.

Quellen:

https://www.google.com/amp/s/www.nzz.ch/amp/meinung/deutschlands-doppelt

https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/M02-Zuzuege-Fortzuege-Deutsche-ab-1991.html

https://www.deutsche-im-ausland.org/im-ausland-leben-und-arbeiten/leben-im-ausland/daten-und-fakten.html#:~:text=3%2C4%20Millionen%20deutsche%20Auswanderer,Vereinigten%20K%C

https://www.steuerzahler.de/steuerzahlergedenktag/

https://www.google.com/amp/s/de.statista.com/infografik/amp/13660/oecd-vergleich-steuern--und-abgaben/

https://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-ein-neuer-verteilungskonflikt-1.3786975

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H.,

Deutschland ist ein Einwanderungsland und auch aus wirtschaftlicher Perspektive auf Einwanderung, sowohl aus der EU als auch aus Drittstaaten, angewiesen. Die alternde Gesellschaft und der Fachkräftemangel waren dabei maßgeblich dafür, dass sich der Deutsche Bundestag im Jahr 2019 intensiv mit der Frage eines Einwanderungsgesetzes beschäftigt hat, welches zum 01.03.2020 in Kraft getreten ist. Dabei gehen wissenschaftliche Studien, wie beispielsweise die Bertelsmann-Stiftung davon aus, dass jährlich ein Einwanderungsbedarf von etwa 260.000 Personen besteht. Zwar beruft sich die Studie auf Zahlen vor der Corona-Pandemie, nach derzeitigem Stand ändert sich trotz den prognostizierten Folgen nichts an der grundsätzlichen Aussage, dass Deutschland auf Einwanderung angewiesen ist. Die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat daher einen eigenen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz in den Bundestag eingebracht. Ziel ist die Gestaltung einer Einwanderungsgesellschaft, die die Interessen und Talente der Menschen in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig den Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland auch in Zukunft deckt. (Mehr Infos: https://www.gruene-bundestag.de/integration-fluechtlingspolitik/deutschland-braucht-ein-einwanderungsgesetz-18-12-2018.html).

Wir teilen Ihre Auffassung nicht, dass Deutschland leichte Voraussetzungen für gering qualifizierte Zuwanderung habe bzw. diese in eine Art Einwanderung in die Sozialsysteme münde. Hierfür gibt es keine empirischen Belege. Gegenteilig hat beispielsweise die Westbalkanregelung, die auch niedrig-qualifizierten Arbeitnehmer*innen aus diesen Ländern mit Arbeitsplatzzusage Zugang zum Arbeitsmarkt schafft, eine erfolgreiche Bilanz vorzuweisen (https://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/Forschungsberichte/Forschungsberichte-Arbeitsmarkt/fb544-evaluierung-der-westbalkanregelung.html). Es besteht eher das Problem, dass Menschen trotz Jobzusage meist über ein Jahr auf ein Visum warten müssen.

Internationale Vergleiche zeigen, dass die Belastung aus Steuern und Abgaben in Deutschland bei geringen und mittleren Einkommen besonders hoch ist. Daher setzten wir uns für ein gerechtes Steuersystem ein, das dafür sorgt, dass alle nach ihrer Leistungsfähigkeit zu einer intakten und funktionierenden Gesellschaft beitragen. Starke Schultern können mehr tragen als schwache. Wir Grüne im Bundestag wollen neben Familien Geringverdiener*innen entlasten und fordern einen höheren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens von denen, die es sich leisten können. Wir merken gleichzeitig, dass wir mit den Instrumenten des Steuerrechts des letzten Jahrhunderts an unsere Grenzen stoßen, wenn es etwa darum geht, Unternehmen fair und angemessen zu besteuern. Für die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft ist das ein Problem, dem wir uns stellen müssen. Wir müssen beispielsweise Antworten darauf geben, welches Steuersystem wir im digitalen Zeitalter wollen. Mit Tricks und laxen Regen minimieren viele multinationale Unternehmen ihren Steuerbeitrag auf Kosten der Gemeinschaft und Familien ohne Trauschein und Alleinerziehende werden im Steuerrecht benachteiligt. Steuern, Abgaben und soziale Leistungen sollen so aufeinander abgestimmt werden, dass Erwerbstätige mit geringem Einkommen entlastet werden und sich Erwerbsarbeit auch finanziell lohnt.

Beste Grüße,
Danyal Bayaz