Frage an Daniela Ludwig von Sara N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Liebe Frau Ludwig,
mit Verwunderung, ja Entsetzen nehme ich die Art und Weise wahr, wie Sie hier auf sehr vernünftige und nachvollziehbare Fragen antworten, beziehungsweise nicht antworten. Sie ignorieren – übersehen? – Fragen, antworten ausweichend und – so wirkt es zumindest – ein bisschen arrogant und von oben herab.
Ich werde trotzdem probieren, Ihnen weitere Fragen zu stellen und hoffe auf eine Reaktion Ihrerseits. Ich bitte Sie dabei um ehrliche und komplette Antworten. Zur Vereinfachung habe ich die Fragen nummeriert, so können Sie diese nur schwer übersehen.
1) Von den Legalisierungs-GegnerInnen wird gerne das Argument gebracht, dass es bereits zwei legale Drogen gibt und man keine dritte „einführen“ sollte.
Wäre es angesichts von geschätzt 4 Millionen Cannabis-KonsumentInnen nicht ehrlicher, sich einzugestehen, dass es diese Droge bereits gibt und immer schon gab? MedizinerInnen und WissenschaftlerInnen schätzen Cannabis als wesentlich weniger schädliche in als Tabak oder Alkohol ein. Wäre es daher nicht besser diesen Markt zu regulieren anstatt ihn illegalen HändlerInnen zu überlassen?
https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2014-04/drogenkonsum-warum-drogen-nehmen
2) Sie rechtfertigen in einem Interview mit OVB Heimatzeitungen – min 2:20, https://www.youtube.com/watch?v=ZWH97tYoCDY – die Verfolgung von Cannabis im Gegensatz zu Alkohol damit, dass Alkohol in der Kultur verankert ist. „Die Mönche hätten Bier getrunken, nicht Cannabis geraucht“.
Ist Ihnen bekannt, dass Cannabis als bereits eine weit über 2000jährige Geschichte (eventuell sogar 10.000 Jahre!) hat: Als Nutzpflanze, aber auch als Rauschmittel und Medizin? Auch in Mitteleuropa ist die Tradition so alt wie die bei den von Ihnen angesprochenen Mönchen.
Zitat: „Auch die deutsche Benediktinerin, Naturforscherin und Heilerin Hildegard von Bingen, die im 12. Jahrhundert zahlreiche Kräuter, Gift- und Heilpflanzen beschrieb, pries den Hanf in ganz ähnlicher Weise: Sein Same enthält Heilkraft und er ist für gesunde Menschen heilsam zu essen, und in ihrem Magen ist er leicht und nützlich. Er vermindert die üblen Säfte und macht die guten Säfte stark. Aber wer im Kopfe krank ist und ein leeres Gehirn hat und Hanf isst, dem bereitet dies leicht etwas Schmerz im Kopf. Aber dem gesunden Kopf und dem vollen Gehirn schadet er nicht.
Noch bis vor knapp 100 Jahren war Cannabis das am meisten verkaufte Heilmittel in deutschen Apotheken. Erst seit dem Verbot in den 20er/30er Jahren – auch auf Druck der Pharmaindustrie – hat sich dies geändert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hanf#Mittelalter_und_Neuzeit
Ist Ihnen diese Geschichte, auch die Geschichte des Verbots, nicht bekannt oder versuchen Sie hier bewusst falsche Behauptungen zu verbreiten?
3) Sie sagen in dem Interview (2:32) „es ist in einem gewissen Maße ok, Tabak und Alkohol zu konsumieren“.
Warum billigen Sie diese Eigenverantwortung nicht den KonsumentInnen von Cannabis zu? Warum werden diese stattdessen kriminalisiert und bestraft?
4) Im gleichen Interview loben Sie, dass es gelungen ist den Konsum von Alkohol in den vergangenen Jahren zu senken (2:45). Dies geschah, obwohl Alkohol in Deutschland legal verkauft wird. Der Konsum von Cannabis stieg dagegen in den letzten Jahren stetig an, besonders bei Jugendlichen.
Mit welcher Begründung rechtfertigen Sie dann ein Verbot, wenn es doch den Konsum nachweislich nicht senkt? Gleiches hat Ihnen im übrigen auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bestätigt.
Warum ignorieren Sie diese Studie und stellen die Ergebnisse in Frage? Warum sind Sie gegen weitere Forschung und Studien, wie zum Beispiel gegen die von Städten und Ländern geplanten Modellprojekte mit kontrolliertem Verkauf von Cannabis an Erwachsene? Es wirkt, als hätten Sie Angst vor den Ergebnissen und dass Sie sich mit diesen auseinandersetzen müssen.
https://www.tagesschau.de/inland/cannabis-151.html
5) Sie sagen außerdem (3:15), dass Cannabis noch nach vielen Stunden und sogar Wochen nachweisbar ist. Ist Ihnen bekannt, dass dieser Nachweis zwar möglich ist, es sich aber um NICHT wirksame (!) Abbaustoffe von THC handelt, die NICHT zu einer Beeinträchtigung beim Fahren führen?
Sollte der THC-Grenzwert nicht generell deutlich erhöht werden, um zu vermeiden, dass auch nüchterne KonsumentInnen bestraft werden?
Ist Ihnen in diesem Zusammenhang bekannt, dass es auch Cannabis-PatientInnen gestattet ist, ein Fahrzeug zu führen?
6) Sie sagen (3:41), dass Sie wünschen „dass weder unter Cannabis noch unter Alkohol Auto gefahren wird“.
Kann ich diese Aussage so verstehen, dass Sie eine Null-Promille-Grenze fordern?
7) Warum hört man von Ihnen nichts oder relativ wenig über einen anderen Umgang mit Alkohol, eine der gefährlichsten und schädlichsten Drogen? Warum zum Beispiel fordern Sie – deutlich und unmissverständlich! – nicht Einschränkungen beim Verkauf, warum keine höheren Steuern oder ein Jugendverbot?
Sie fordern ein Werbeverbot von Tabak – das übrigens Ihre eigene Fraktion jahrelang erfolgreich verhindert hat. Können Sie sich das auch für Alkohol vorstellen?
Ich habe durchaus noch weitere Fragen, würde es vorab aber dabei belassen. Ich hoffe erst einmal auf eine komplette Beantwortung dieser Fragen.
Ich hoffe, dass Sie sich endlich offen und ernsthaft mit als dem Thema Drogenpolitik auseinandersetzen und sich auch der Diskussion stellen.
Ansonsten frage ich mich wirklich, warum Sie den Job Drogenbeauftragte überhaupt angenommen haben, beziehungsweise überhaupt in die Politik gegangen sind.
S. N.
Sehr geehrte Frau Neumann,
die Fragen, die Sie hier öffentlich bei abgeordnetenwatch sehen, machen nur einen sehr geringen Teil der Anfragen aus, die mich täglich erreichen. Selbstverständlich möchte jeder Petent eine ausführliche und individuelle Antwort bekommen. Dafür habe ich vollstes Verständnis. Die Menge der Anfragen, die ich erhalte, ist auch kein Grund zur Klage. Wie Sie sich aber sicher vorstellen können, ist es ab einem bestimmten Volumen nur noch eingeschränkt möglich, die eingangs erwähnte Erwartungshaltung zu erfüllen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich nicht um einzelne Fragen, sondern um Fragenkataloge handelt. Daher kommt es manchmal vor, dass Antworten nur sehr kurz ausfallen, oder es sich in einem bestimmten Umfang um Textbausteine handelt. Das mag nicht für jeden Einzelnen befriedigend sein, wird sich aber auch in Zukunft leider nicht vermeiden lassen.
Cannabis als Medizin:
Der Einsatz von Cannabis als Medizin erfolgt aus therapeutischen Gründen. Der medizinische Nutzen wird dabei von einem Arzt höher eingeschätzt, als die schädlichen Nebenwirkungen. Diese bleiben aber auch bei Medizinalcannabis nicht aus.
Cannabis und Alkohol:
Tabak und Alkohol sind gesundheitsschädlich und der Konsum kann tödlich sein. Die Gefährlichkeit von Alkohol und Tabak macht Cannabis nicht automatisch ungefährlich.
Cannabis und Schwarzmarkt:
Der Schwarzmarkt wird bei einer Legalisierung nicht verschwinden. Er passt sich den legalen Angeboten an. Beispiel Kanada: Die Schwarzmarktpreise sind seit der Legalisierung unter das Niveau des legalen Verkaufs gesunken, bei gleichzeitigem Anstieg des Wirkstoffgehalts.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Ludwig