Frage an Daniela Ludwig von Carmen F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Frau Ludwig, und Frau Bahr,
angesichts der Finanz und Staatsschuldenkrise habe ich einige Fragen zu ihrem Verhalten als Volksvertreter.
Der jetzige Regierungskurs hin zu einem europäischen Bundesstaat, und das damit einhergehende Abstimmungsverhalten im Bundestag und Bundesrat, steht häufig im krassen Gegensatz zur Volksmeinung.
1. Ist es nicht ihr Auftrag, als Volksvertreter in dieser Republik, auf die Volksmeinung zu achten und diese entsprechend umzusetzen?
Der Euro und der geplante europäische Bundesstaat hat laut Umfragen in Deutschland, sowie in vielen anderen Ländern, keine Mehrheit.
Um solch einen Bundesstaat zu schaffen bedarf es nach unserem Grundgesetz eines Referendums.
2. Warum setzen sich die Volksvertreter und damit auch Sie, nicht dafür ein ein Referendum durchzuführen, bevor solch folgenreiche Entscheidungen wie die gemeinsame Haftung durch den ESM beschlossen werden?
Laut neuer Studien durch die schweizer Bank UBS hat das Volk in Deutschland, gemessen am durchschnittlichen Bruttolohn, nicht vom Euro profitiert.
Profitiert haben dagegen die Exportwirtschaft, die Finanzwelt und Spitzenverdiener, bzw. sehr vermögende Menschen, siehe auch den Bericht über die Vermögensverteilung in Deutschland.
3. Warum erzählen sie dennoch den Wählern, das wir vom Euro profitieren? Aus Unkenntniss der Fakten ?
Nach einer Studie der Bundesbank hat die Deregulierung des Bankensystems und die mangelnde Haftung bei Hochrisikogeschäften größtenteils zur Finanzkrise und nachfolgend auch zur Staatsschuldenkrise geführt.
4. Warum werden nicht die Verursacher, also Banken, bzw. die Anleger der Gelder zur Verantwortung gezogen, denn dort konzentriert sich doch das Vermögen.
5.Ist Deutschland durch die Regierungspolitik die letzten 15 Jahre , von der Finanzwirtschaft und den anderen Eurostaaten erpressbar geworden? Oder warum wird uns die jetzige Politik als alternativlos verkauft?
Mit freundlichen Grüßen
Carmen Fischer
Sehr geehrte Frau Fischer,
Sie sind eine fleißige Fragerin bei Abgeordnetenwatch.
zu 1) Volksmeinung:
Ich bin der Meinung, dass wir sehr erfolgreich im Interesse des Deutschen Volks arbeiten. Das zeigt sich an unserem Haushalt. Auf der Ausgabenseite ist uns eine einmalige Leistung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gelungen: Die Ausgaben sinken im kommenden Jahr gegenüber dem Beginn der Legislaturperiode in 2010 nominal ab - trotz abnehmender Konjunkturdynamik und erheblichen Mehrbelastungen. Beispielsweise zahlt der Bund 2013 eine doppelte Rate von 8,7 Milliarden Euro in das Stammkapital des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein und entlastet die Kommunen weiter um rund 3,2 Milliarden Euro allein durch die Übernahme der Kosten der Grundsicherung.
Konsolidierung heißt aber nicht ´Kaputtsparen´ - im Gegenteil: Wir sanieren den Bundeshaushalt wachstumsfreundlich und haben daher im parlamentarischen Verfahren wie schon im vergangenen Jahr zusätzliche Mittel für Straße, Bahn und Wasserwege bereitgestellt. Nach der zusätzlichen Milliarde vom vergangenen Jahr stellt die Koalition 2013 zusätzliche 750 Millionen Euro vorrangig für Neubauprojekte zur Verfügung. Wir stärken nicht nur den Haushalt, sondern auch den Standort.
zu 2) Referendum:
Die Forderung nach einer Einführung der Volksgesetzgebung oder aber eines Referendums auf Bundesebene ist bereits mehrere, wenn nicht sogar Jahrzehnte alt. Bereits in den 90er Jahren und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat es immer wieder im Deutschen Bundestag sehr intensive Diskussionen zu diesem Thema gegeben.
Aus Sicht der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag kommt die Einführung eines bundesweiten Volksentscheids nicht in Betracht.
Bereits die jüngere Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland belegt, dass eine Vielzahl von Entscheidungen, die letztlich der Bundestag getroffen hat, nicht nur in der Bevölkerung unpopulär gewesen sind, sondern auch erst viele Jahre danach ihre berechtigte Akzeptanz gefunden haben. Gleichwohl ist unstreitig, dass sie für die weitere Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland von herausragender Bedeutung waren. Die Liste reicht vom Nato-Doppelbeschluss, der finanziellen Unterstützung der neuen Länder im Rahmen der Wiedervereinigung bis hin zu der Einführung des Euro als gemeinsame europäische Währung.
Diese kleine Auswahl belegt bereits, dass bei zunehmender Komplexität einer zu treffenden politischen Entscheidung eine vorhandene Volksgesetzgebung nicht von Vorteil ist. Dies hat auch weder etwas mit dem Bildungsstand der Bevölkerung zu tun, sondern vielmehr mit den schwierigen Fragestellungen der pluralistischen Welt. In vielen Fällen bedarf es eines ausführlichen und umfassenden parlamentarischen Verfahrens, um gerade diese Zusammenhänge aufzuzeigen und dann die entsprechenden Antworten zu finden. Dies wird derzeit durch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages geleistet.
Im Rahmen eines bundesweiten Volksentscheids wäre dies durch einen Bürger vor Ort jedoch gerade nicht möglich. Er müsste sich in seiner Freizeit die einzelnen Themenzusammenhänge erarbeiten und würde dabei fortlaufend der Gefahr ausgesetzt sein, unwissentlich von einer Seite beeinflusst zu werden. Dies stellt für mich im Ergebnis gerade keine Verbesserung zur derzeitigen Situation dar. Im Gegenteil, bereits nach kurzer Zeit könnte aus meiner Sicht eine starke Zunahme der bereits jetzt vorhandenen Politikverdrossenheit festgestellt werden.
Ein weiterer wesentlicher Grund der gegen die Einführung eines bundesweiten Volksentscheids spricht, ist das in der Bundesrepublik Deutschland grundgesetzlich festgelegte System des Föderalismus. Ein bundesweiter Volksentscheid müsste immer auch die Belange des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen. Eine bloße vorherige Beteiligung des Bundesrates mit der Möglichkeit eine Stellungnahme abzugeben, reicht hierzu mit Sicherheit nicht aus und würde zudem den mit der Entscheidung betrauten Bürger zudem verunsichern.
Die Einführung eines bundesweiten Volksentscheids kommt daher für die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag auch weiterhin nicht in Betracht.
Zu 3) Wir profitieren vom Euro.
Zu 4) Bankenaufsicht:
Vor einem Inkrafttreten der europäischen Bankenaufsicht, die bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt werden soll, müssen schwierige Fragen geklärt werden. Dazu gehören die Arbeitsteilung zwischen europäischer und nationaler Ebene. Nach deutscher Auffassung sollte die Aufsicht über große systemrelevante Banken bei der EZB liegen, während die Aufsicht über kleine, ausschließlich im Inland tätige Banken wie Sparkassen oder Genossenschaftsbanken bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleiben würde. Geklärt werden muss außerdem, wer die europäische Bankenaufsicht kontrolliert und wie bei der EZB die Zuständigkeitsbereiche zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht effektiv getrennt werden können.
Nach wie vor gilt der Beschluss des EU-Gipfels vom Juni: Über eine direkte Rekapitalisierung von Banken aus dem europäischen Rettungsschirm ESM kann erst dann entschieden werden, wenn die europäische Bankenaufsicht ihre Tätigkeit aufgenommen hat. Ausnahmen davon soll es nicht geben. Zudem müsste der Deutsche Bundestag einem solchen neuen Instrument des ESM zustimmen.
5) Nein, wir sind nicht erpressbar geworden.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Ludwig, MdB