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Daniel Schreyer
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Frage von Volker E. •

Frage an Daniel Schreyer von Volker E. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Schreyer,

wer ist eigentlich der Souverän der EU? Im GG steht ausdrückich "Alle Macht geht vom Volke aus"; warum nicht im EU-Vertrag?

Wie soll der Volkswille / die Volksbeteiligung innerhalb Europas umgesetzt werden, wenn noch nicht einmal eine minimale Grundlage dafür geschaffen ist?

Mit freundlichen Grüßen

Volker Eichler

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Eichler,

ich dachte die Frage nach den Milchbauern wäre die komplexeste Frage gewesen, die ich kriegen würde, aber Sie haben diese nun noch getoppt.

Es gibt nicht den EU-Vertrag. Vielmehr ist zu unterscheiden:

1. Der Vertrag über die EU-Verfassung

Dieser sollte am 1.11.2006 in Kraft treten, wurde aber in Frankreich und den Niederlanden vom Volk nicht angenommen, so dass er in dieser Form gescheitert ist. In diesem Vertrag war sehr wohl über ein Zitat in der Präambel der Bezug zur Macht des Volkes geplant, nämlich von Thukydides, der sagte: „Die Verfassung, die wir haben … heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist.“ Leider wurde dieser Satz dann gestrichen, aber ursprünglich gab es diesen, von Ihnen formulierten Gedanken sehr wohl.

2. Die Verträge von Maastricht, Amsterdam und Nizza

In diesen Verträge findet sich tatsächlich keine direkte Beziehung zum Volk wie bei uns im Grundgesetz. Allerdings fordern diese Verträge ja auch keine Machtbeziehungen wie sie im Grundgesetz vorgesehen sind. Vielmehr wurde durch die Verträge zwar die eigentliche Europäische Union heutigen Zuschnitts gegründet, jedoch ist sie nicht mehr als der Rahmen für die verschiedenen Europäischen Gemeinschaften EG und EURATOM sowie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit. Es wurde kein Staat gegründet sondern eine Zusammenarbeit institutionalisiert. Über den Ministerrat und das Europäische Parlament wird das Volk in Europa vertreten.

Dabei möchte ich gar nicht leugnen, dass zu diesem Zeitpunkt das Parlament noch wenig Mitbestimmungsrechte hatte und der Ministerrat schon eine sehr indirekte demokratische Legitimation besitzt. Aber: wie anders, als durch einen Ministerrat wollen Sie sicherstellen, dass bei Einstimmigkeitsprinzip, Deutschland und damit seine 80 Millionen Einwohner nicht überstimmt werden und deren Interessen berücksichtigt werden. Solange Europa keine Vereinigten Staaten von Europa sind (was noch ein weiter Weg wäre und ich nicht weiß, ob das so anstrebenswert wäre) wird die Vertretung unserer deutschen Interessen so indirekt bleiben müssen - fürchte ich, weil ich - wie Sie - das Problem der Vermittlung europäischer Politik an die Bürgerinnen und Bürger sehe.

Wenn Sie aber Mehrheiten zulassen (siehe Thukydides), dann werden eben deutsche Interessen überstimmt. Das ist zwar demokratisch, aber wünschenswert? Ich weiß nicht.

3. Der Vertrag von Lissabon

Auch dieser Vertrag ist zunächst an Volksabstimmungen in Europa gescheitert. Derzeit laufen noch Ratifizierungsverfahren in einigen Ländern, am spannendsten wird wohl Irland bleiben.

Der Vertrag von Lissabon ändert im Wesentlichen die vorgehenden Verträge mit u.a. folgenden Wirkungen:

- eine Ausweitung der gesetzgeberischen Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments (Gleichgestellung mit Ministerrat)
- ein neues Amt: der Präsidenten des Europäischen Rates, der künftig für je zweieinhalb Jahre vom Europäischen Rat ernannt werden soll
- die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im Rat der Europäischen Union und die Einführung der doppelten Mehrheit als Abstimmungsverfahren, um die Möglichkeit eines einzelstaatlichen Vetos zu reduzieren;
- die Einführung eines „EU-Außenministers“, der vom Europäischen Rat ernannt wird und zugleich Vorsitzender des Außenministerrats und Vizepräsident der Kommission ist;
- die Formulierung eines Kompetenzkatalogs, der die Zuständigkeiten der EU deutlicher als bisher definiert;
- die Einführung eines europaweiten Bürgerbegehrens;
- die Ausweitung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
- die Regelung des freiwilligen Austritts von Mitgliedstaaten aus der EU;
- die Verschärfung der Beitrittskriterien;
- die Ausstattung der EU mit eigener Rechtspersönlichkeit;
- der Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

Durch die größeren gesetzgeberischen Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments und die Einführung des Bürgerbegehrens finde ich schon, dass Grundlagen für den Volkswillen und die Volksbeteiligung geschaffen werden würden.

Durch Ihre Teilnahme an der Europawahl am 7. Juni 2009 geben Sie Ihren Willen kund, welche Politik vom Parlament in den nächsten fünf Jahren verfolgt werden soll. Dazu treten zahlreiche Parteien an, ich will Ihnen die meine besonders ans Herz legen. Der CSU ist das im Lissabon-Vertrag vereinbarte nämlich nicht genug, wir wollen Direktwahlkreise für die Abgeordneten und Volksabstimmungen über zentrale Fragen der EU. Ich persönlich spreche mich auch für veränderbare Listen wie in Österreich aus - dort könnten Sie mich direkt ankreuzen und mich so nach vorne wählen. Damit könnten Sie Ihren Wählerwillen noch viel konkreter auf eine Person hin formulieren. Alle diese Maßnahmen lassen sich national umsetzen, wir brauchen dazu die anderen Nationen gar nicht. Insofern bin ich optimistisch, dass wir das auch hinbekommen. Aber noch einmal: mit dem Parlament gibt es schon heute Volksteilhabe, mit dem Rat sehr indirekt und bei Ratifizierung des Lissabon-Vertrags gibt es noch mehr Volksteilhabe.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Schreyer