Frage an Daniel Morteza von Harald Z. bezüglich Recht
Werter Herr Morteza,
Was ist die Meinung ihrer Partei zum Thema: Ungueltiges Wahlrecht?
Ich habe diese Frage schon mehreren Kandidaten gestellt, wuerde mich aber ganz besonders ueber eine Antwort von ihnen freuen...
Mit sozialistischen Gruessen
H. Zimmermann
Sehr geehrter Herr Zimmermann,
Vielen Dank für Ihre Frage. Bitte entschuldigen Sie die späte Antwort, ich war mit dem Medium abgeordnetenwatch bisher noch nicht so vertraut und habe meinen Account nur unregelmäßig eingesehen.
Selbstverständlich geht es bei dieser Frage nicht um einzelne wahlrechtliche Details wie die konkrete Anzahl der zulässigen Überhangmandate. Die Auseinandersetzung um das Wahlrecht offenbar eine tiefe Krise im Verfassungsverständnis der herrschenden Parteien, insbesondere der Union. Einerseits erleben wir, wie eine amtierende Bundesregierung sich offensichtlich um das Grundgesetz und dessen Auslegung keinen Deut kümmert. Die verfassungsrechtlichen Bedenken angesichts des Wahlrechts waren lange bekannt, die vom Bundesverfassungsgericht festgesetzten Fristen wurden ohne Skrupel übertreten. Eine plausible Erklärung für diese Einstellung der Gleichgültigkeit ist bis heute ausgeblieben. Und dabei ist dies kein Einzelfall: Die Gesetze keiner vorherigen Bundesregierung landeten so oft in Karlsruhe und wurden dort wieder kassiert, Merkel ist hier traurige Spitzenreiterin. Ganz bitter: Meistens handelte es sich dabei um Gesetze, die die Bürgerrechte betreffen, also um alles andere als Lappalien. Besonders wütend macht mich dies angesichts der Tatsache, dass meine Partei und ich vom Verfassungsschutz beobachtet und als Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung angesehen werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Bedingt durch das neue Wahlrecht ist ein Anwachsen der Anzahl an Bundestagsmandaten wahrscheinlich. Zwar bin ich immer sehr erfreut darüber, wenn die Anzahl der Linke-Abgeordneten steigt – dies schafft mehr parlamentarische Initiativen, mehr Anfragen, mehr Unannehmlichkeit für die Regierenden –, allerdings würde ich mir wünschen, dass dies auf dem Weg der Stimmenmaximierung und nicht durch Wahlrechtsänderung geschieht und der Bundestag nicht künstlich aufgebläht wird.
Das Hauptziel meiner Kandidatur war und ist es nicht, in den Bundestag gewählt zu werden, dies wäre allenfalls ein erfreulicher Nebeneffekt und eine Bestätigung der Inhalte, die ich vertrte. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es eine politische Alternative zum Einheitsbrei der vier großen Parteien gibt und dass es sich lohnt, für seine gemeinsamen Interessen einzustehen. Insofern bin ich niemand, der seine Hoffnungen einzig und allein in den Parlamentarismus steckt. Nur ein Anwachsen sozialer Bewegungen und ein Bewusstsein für die Herrschaftsverhältnisse machen politische Veränderung möglich, die so bitter nötig wäre. Dafür brauchen wir eine starke Linke, die diesem Protest eine Stimme im Parlament gibt und sich nicht als bloße Volksvertretung, sondern als Speerspitze sozialer Bewegungen versteht.
Mit solidarischen Grüßen
Daniel Morteza