Frage an Daniel Freund von Björn O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Was wollen Sie und Ihre Partei in Ihrer Amtszeit unternehmen, damit Demokratie und Menschenrechte auch im digitalen Zeitalter geschützt werden?
Aktuell bin ich der Meinung, dass die Überwachung beim Staat massiv ausartet und kein passendes wirkungsvolles Gegeninstrument zum Schutz der Bürger existiert.
Sehr geehrter Herr O.,
Während andere Parteien reflexartig neue Eingriffsbefugnisse, Überwachungsgesetze und Grundrechtseingriffe fordern, wollen wir die Zusammenarbeit der Polizeibehörden der EU-Staaten verbessern. Dazu wollen wir ein europaweites Austauschprogramm für Polizist*innen ins Leben rufen. Die Zusammenarbeit von Polizist*innen in länderübergreifenden Ermittlungsteams wollen wir mit zusätzlichen Mitteln aus dem EU-Haushalt fördern. Denn wer gemeinsam im Team zusammengearbeitet hat, greift schneller zum Telefon, um seine Kolleg*innen aus anderen EU-Staaten zu informieren oder um Rat zu fragen. Dabei ist uns wichtig, dass diese Vernetzung höchsten datenschutz-, bürgerrechtlichen und rechtsstaatlichen Standards entspricht. Daher lehnen wir auch eine Weitergabe von sensiblen, personenbezogenen Daten an solche Staaten ab, die diese nicht einhalten. Unter dieser Bedingung kann auch das bestehende Europol-Informations-System (EIS) weiter ausgebaut werden, so dass ein Abgleich der nationalen Polizeidatenbanken mit den Europol-Systemen möglich wird und Ermittler so vor Ort schneller feststellen können, ob Straftäter grenzüberschreitend agieren und die polizeiliche Rechtshilfe weiter optimiert wird.
Die europäischen Innenminister, tatkräftig unterstützt von der Großen Koalition in Berlin, fordern nach jedem Terroranschlag geradezu reflexhaft zusätzliche Datenbanken und Massenüberwachung. Wer mit dem Flugzeug nach Europa reist, wird anlasslos registriert werden, egal ob es sich um Terrorverdächtige, Tourist*innen oder Geschäfts-reisende handelt. Bestehende Polizei- und Grenzkontrollsysteme werden gerade verschärft, neue befinden sich im Aufbau. Die EU-Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung halten wir für rechtswidrig. Es ist nicht mit unseren Grundrechten vereinbar, dass alle, die einen Flug buchen, wie Verdächtige behandelt werden und hinnehmen müssen, dass ihre Daten fünf Jahre lang gespeichert und fortlaufend einer automatisierten Rasterfahndung unterzogen werden. Auch die anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Handy- und Kommunikationsdaten ist bereits zweimal vom Europäischen Gerichtshof als grundrechtswidrig aufgehoben worden. Einen neuen Anlauf zur europaweiten Kommunikationsüberwachung wird es mit uns GRÜNEN nicht geben. Wir kämpfen weiterhin mit aller Vehemenz gegen alle Formen von anlasslosen Vorratsdatenspeicherungen. Die angestrebte Datensammlung kostet viel Geld, das bei der gezielten Überwachung und Verfolgung von terroristischen und anderen Gewaltbereiten fehlt. Während die EU-Staaten Milliarden in den Aufbau neuer Datenbanken investieren, hat die europäische Ermittlungsbehörde Europol ein jährliches Budget von wenigen Hunderttausend Euro für Ermittlungsteams. Viel zu oft enden deshalb Ermittlungen an nationalstaatlichen Grenzen. Gleichzeitig werden bestehende Datenbanken, in denen Personen erfasst sind, wie zum Beispiel im Schengener oder im Europol-Informationssystem, derzeit nicht richtig genutzt, weil es an Personal und Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten mangelt. Hier gibt es dringenden Änderungsbedarf. Bei der notwendigen Effekti-vierung des Informationsaustauschs und der Zusammenlegung von Datenbanken müssen höchste datenschutzrechtliche Standards beachtet werden.
Mit freundlichem Gruß,
Daniel Freund