Frage an Dagmar Ziegler von Klaus D. B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Ziegler,
in der Talkshow "Klipp und Klar" vom 8.11.11 behauptete Herr Blome (Bild-Zeitung), daß bereits 10% der Steuerpflichtigen 50% des Aufkommens der Einkommensteuer tragen. Mit diesen 10% meinte Herr Blome doch wohl die Besserverdienenden, Einkommensmillionäre und Vermögenden. Die "armen Schlucker", die für Hungerlöhne arbeiten müssen und davon noch Lohnsteuer abgezogen bekommen, wird er wohl nicht gemeint haben.
Ich habe zu dieser Behauptung von Herrn Blome von Ihnen keinerlei Widerspruch gehört, dabei will doch die SPD angeblich das "Sprachrohr" des sogenannten "Kleinen Mannes" sein.
Frage: Können SPD Abgeordnete keine Statistiken lesen, oder paßt es der SPD z.Zt. nicht ins politische Kalkül, weil sie sonst zugeben müßte, daß die einfachen Lohnsteuerzahler dringend eine Entlastung nötig hätten ?
Im Jahre 2010 betrug das Kassenaufkommen der Einkommensteuer (Lohnsteuer und veranlagte Einkommensteuer) 159,083 Milliarden Euro.
50% von 159,083 Milliarden Euro wären über 79,541 Milliarden Euro, die - nach den Angaben von Herrn Blome - von 10% der Steuerzahler getragen werden.
Das Kassenaufkommen der veranlagten Einkommensteuer betrug aber nur 31,179 Milliarden Euro, das sind ca. 20% des Gesamtaufkommens der Einkommensteuer und keine 50%.
In der veranlagten Einkommensteuer befindet sich aber der von Herrn Blome genannte Personenkreis, die entweder gesetzlich verpflichtet sind, eine Steuererklärung abzugeben oder eine Antragsveranlagung durchführen lassen, um steuerliche Begünstigungen in Anspruch nehmen zu können, also auch alle Einkommensmillionäre und Vermögenden, die sich steuerlich arm rechnen.
Die Statistik zeigt, daß in Wirklichkeit ca. 80% oder 127,904 Milliarden Euro des Einkommensteuer-Aufkommens von den einfachen Lohnsteuerzahlern mit kleinen bis mittleren Einkommen stammen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus D. Böhnke
Sehr geehrter Herr Böhnke,
vielen Dank für Ihr Interesse an der „Klipp und Klar“-Diskussionsrunde und für Ihren Beitrag hierzu.
Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu: Mittlere und kleine Einkommen müssen steuerlich entlastet werden. Die Diskussion bei „Klipp und klar“ jedoch hat deutlich gezeigt: Eine Steuersenkung, wie sie die schwarz-gelbe Bundesregierung derzeit anpreist, ist nichts weiter als ein Selbstrettungsversuch der FDP.
Steuersenkungen können nur bei einer entsprechenden Gegenfinanzierung umgesetzt werden. Wenn wir kleinere und mittlere Einkommen entlasten, müssen größere Einkommen im gleichen Umfang belastet werden.
Erlauben Sie mir eine Bemerkung zu den Geringverdienern: Mittlerweile arbeitet mehr als ein Fünftel der abhängig Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Ziel der SPD-Bundestagsfraktion ist es, vor allem für Geringverdiener und Alleinerzieher mit geringem Einkommen die Belastungen aus den Sozialabgaben zu reduzieren. Wir wissen aus allen internationalen Untersuchungen, dass gerade für diese Bevölkerungsgruppen die Belastungen zu stark sind. Steuersenkungen wirken hier nicht entlastend, weil in diesen Einkommensgruppen keine Steuern gezahlt werden müssen.
Gerade aber alleinstehende Geringverdiener und Alleinerziehende tragen überdurchschnittlich zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme bei. Damit verstärkt sich zusätzlich die vorhandene soziale Ungleichheit in der Gesellschaft. Dem gegenüber werden wiederum Vermögen in Deutschland äußerst gering besteuert. Das gilt auch für die Vererbung großer Vermögen. Diese Entwicklung begreift die SPD als ernste Herausforderung für Politik und Gesellschaft.
Vor diesem Hintergrund legt die SPD einen Vorschlag vor, wie mit einem nationalen Pakt für Bildung und Entschuldung Deutschland über einen Zeitraum von fünf Jahren zukunftsfähiger wird. Jährliche Einsparungen und Mehreinnahmen sind für 2012 bis 2016 berechnet.
Das Konzept umfasst Vorschläge zum weiteren wirtschafts- und sozialverträglichen Abbau von Subventionen, die Modernisierung der Verwaltung sowie eine moderate Erhöhung der Steuerbelastung für sehr hohe Einkommen und Vermögen. Neben Mitteln für Zukunftsinvestitionen wirken wir so der wachsenden Ungleichheit in Deutschland entgegen.
Dabei gibt es klare Prioritäten:
1. Schuldenabbau,
2. Bildungsinvestitionen,
3. Stärkung der sozialen und kulturellen Handlungsfähigkeit unserer Städte und Gemeinden,
4. Investitionen in Forschung und Entwicklung, Infrastruktur und Energiewende.
Alle von der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegten Vorschläge, sind gegenfinanziert und stehen unter dem Vorbehalt, dass die Einnahmesituation sich nicht wesentlich ändert. Für Sozialdemokraten gilt in jedem Fall: Wir machen keine Steuersenkungen und keine Politik auf Pump!
Nur wenn neben dem notwendigen Schuldenabbau, Infrastrukturausbau im Bildungs- und Betreuungsbereich und der Wiederherstellung kommunaler Handlungsfähigkeit noch finanzielle Spielräume vorhanden sind, werden wir zielgerichtet vor allem Geringverdiener durch eine steuerfinanzierte Senkung ihrer Sozialversicherungsabgaben entlasten können. Erst wenn wir das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushaltes erreicht und keinerlei Neuverschuldung mehr haben, werden wir dieses Ziel realisieren können. Gerade um für untere Einkommensgruppen Chancen und Entlastungen zu ermöglichen, haben solide Finanzen Vorfahrt.
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Ziegler