Frage an Dagmar Ziegler von André J. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Ziegler.
Ich möchte sie gerne bitten, mir ihren persönlichen und den Standpunkt ihrer Partei zur Änderung des §20 EStG und die damit geplanten Änderungen für private Anleger mitzuteilen. Ist ihnen bewusst, das mit dieser Änderung nicht nur die Übertragbarkeit von Verlusten auf Folgejahre eingeschränkt wird, sondern auch die unterjährige Verlustverrechnung auf diesen Betrag von EUR 10.000 begrenzt wird. Es kann (und wird) damit zu der Situation kommen, das man mehr Steuern zahlen muss, als man Gewinn erzielt hat!
https://boerse.ard.de/anlagestrategie/steuern/verlustverrechnung-fuer-te...
https://www.meetingpoint-brandenburg.de/neuigkeiten/artikel/60661-Brande...
Auch bitte ich um eine kurze Stellungnahme zu der Problematik der Progressivität unserer starren Einkommenssteuertarifes. Sie setzen sich ja immer für eine gerechtere Steuerpolitik ein. Allerdings möchten sie dabei die 'Spitzenverdiener' mehr besteuern. Aber wie kann es sein, das heute selbst ganz normale Arbeitnehmer (z.B. bei den Autobauern) häufig den Spitzensteuersatz zahlen. Gehört man in diesem Land zu den wohlhabenden Millionären, wenn man gerade mal das 1,5 fache des Durchschnittsverdienstes erhält?
Vielen Dank für ihre geschätzte Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Jessen,
vielen Dank für Ihre Fragen auf der Plattform abgeordnetenwatch.de.
Zu Ihrer ersten Frage:
Die Veränderung der rechtlichen Gegebenheiten orientierte sich an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Bis 2016 war es nicht möglich Erträge und Verluste zu verrechnen. Kapitalnutzung, Erträge oder Verluste und Kapitalstamm wurden unabhängig voneinander behandelt. Diesen Grundsatz hat der Bundesfinanzhof verlassen. Der von 2016 bis 2019 bestehende Zustand der vollständigen Verlustverrechnung wurde von Finanz- und Steuerexperten jedoch als nicht bestandsfähig im Sinne der Allgemeinheit beschrieben.
Verluste aus Termingeschäften können, laut der neuen Rechtsprechung, durch Erträge aus Termingeschäften und Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Die Beschränkung innerhalb eines Jahres liegt bei 10.000 Euro. Jedoch können nicht verrechnete Verluste in den Folgejahren ausgeglichen werden, wobei auch hier der Maximalbetrag bei 10.000 Euro liegt. Die Reglung greift am 31. Dezember 2020. Die getroffene rechtliche Festsetzung erlaubt weiterhin die Verlustverrechnung, minimiert allerdings den Schaden, den die Allgemeinheit durch riskante Termingeschäfte erleiden kann. Insofern ist es gerechtfertigt, die weitaus riskanteren Termingeschäfte nicht durch steuerliche Verrechnungsoptionen zu stützen, da Termingeschäfte im besonderen Maße spekulativer Natur sind, die bis zu Totalverlusten führen können.
Zudem besteht durch den Steuersatz von 25 Prozent für Kapitaleinkünfte von Privatanlegern eine Begünstigung, die in dem Kontext der Verlustverrechnung bedacht werden muss. Die neue rechtliche Lage bietet also einen Kompromiss zwischen Verrechnung und Risikominimierung für den Steuerzahler.
Zu Ihrer zweiten Frage:
Das von Ihnen vorangebrachte Beispiel des Autobauers greife ich gerne auf. Ist dieser Single und verdient über 57.052 Euro im Jahr, greift der Spitzensteuersatz. Allerdings nur für den Betrag oberhalb der 57.052 Euro. Der Durchschnittssteuersatz für die gesamten Einkünfte des Autobauers würde in dem Fall, wenn dieser 60.000 Euro verdient, bei 27 Prozent liegen und somit deutlich unter dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent.
Zudem setzt sich das zu versteuernde Einkommen abzüglich der Sozialbeiträge, der Kirchensteuer, außergewöhnlichen Belastungen und Kinderfreibeträgen zusammen, liegt also deutlich unter dem Nettoeinkommen.
Eine Erhöhung des Kindergeldes um 10 Euro (eine weitere um 15 Euro ist für 2021 geplant) und eine Tarifabsenkung zum Ausgleich der kalten Progression auf Betreiben der SPD, entlastet Einkommenssteuerzahler um 10 Milliarden Euro. Der 2021 vollständig gestrichene Solidaritätszuschlag für 90 Prozent der Solizahler und die teilweise Streichung für die übrigen 10 Prozent, führt perspektiv zu einer weiteren Senkung von 10 Milliarden Euro. Es ist somit wichtig in der Debatte über Steuerentlastung, sich dem Durchschnittssteuersatz zu bedienen und von dem Verweis auf den Spitzensteuersatz abzusehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Ziegler