Warum wird jetzt in der Not nicht Nord Stream 2 weitergebaut?
Sehr geehrte Frau Schmidt,
warum wird jetzt nicht in der Notsituation nicht Nord Stream 2 fertig gestellt? Wir müssen den Krieg doch nicht an allen Fronten gleichzeitig führen. Wenn das Energieproblem gelöst würde, könnten wir die Ukraine länger unterstützen. Gas wollen wir ja derzeit nicht sanktionieren. Dann können wir Nord Stream 2 auch weiter bauen. Dann gäbe es auch eine Basis für die Integration Russlands nach Putin.
Mit freundlichen Grüßen
Eric C.
Sehr geehrter Herr C.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zur Energieversorgung und zu den russischen Gas-Pipelines.
Zunächst einmal ist die Wartung der Nord Stream I als routinemäßige Wartung angekündigt worden – solche Wartungsarbeiten hat es auch in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. Auch die temporäre völlige Einstellung der Gaslieferungen aufgrund von Wartungsarbeiten war in der Vergangenheit üblich. Was bisher oft ohne großes öffentliches Interesse passierte, ist nun aufgrund des Krieges in der Ukraine in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt und tatsächlich müssen wir uns fragen, ob die Pipeline Nord Stream I auch nach den Wartungsarbeiten wieder in Betrieb genommen wird.
Expertinnen und Experten sind sich zwar sicher, dass es dazu nicht kommen wird und die weitere Lieferung von Gas über besagte Pipeline für die die russische Regierung die bessere Option ist als diese Möglichkeit aus der Hand zu geben, ist es dennoch möglich, dass die Lieferungen künftig ausbleiben. Wirtschaftlich würde sich die Russische Föderation damit selbst jedoch weiteren erheblichen Schaden zufügen.
Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz ist derzeit in Verhandlungen mit europäischen und westlichen sowie befreundeten Nationen, um einen Plan aufzustellen, der es ermöglicht, den Bürgerinnen und Bürgern in Europa ausreichend Gas und Strom für die kommende Winter- und Heizperiode zur Verfügung zu stellen und somit die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Keine Option ist dagegen die bereits fertiggestellte Pipeline Nord Stream II in Betrieb zu nehmen. Die Bundesregierung hatte das Genehmigungsverfahren für die Inbetriebnahme im Februar 2022 als Teil der gemeinsamen Sanktionen gegen Russland gestoppt. Eine Inbetriebnahme aufgrund von Wartungsarbeiten an Nord Stream I würde die Sanktionen ad absurdum führen und den russischen Völkerrechtsbruch im Nachhinein legitimieren. Zudem ist die Öffnung von Nord Stream II keine Lösung des Problems. Oft wird übersehen, dass Russland noch andere Exportkapazitäten außerhalb von Nord Stream I und II besitzt, die genutzt werden können. Es war auch immer das Kalkül von Putin, Nord Stream II über politischen Druck doch noch zu aktivieren.
Wir wollen unabhängig von Energieimporten werden, die von außerhalb der EU zu uns kommen. Die Bundesregierung hat deshalb einen ehrgeizigen Plan in der Osterzeit vorgelegt, der energierechtliche und Fördermaßnahmen im Energiebereich vorsieht: Hier werden Genehmigungsverfahren beschleunigt, bürokratische Hürden abgebaut und zusätzliche Mittel in den Ausbau der erneuerbaren Energien verfügbar gemacht. Dieser als Osterpaket bekannte Maßnahmenkatalog wurde in der letzten Sitzungswoche im Juli 2022 vom Deutschen Bundestag beschlossen.
Wenn Sie Fragen haben sollten oder weitere Informationen benötigen, können Sie sich jederzeit auch direkt an mich unter dagmar.schmidt@bundestag.de wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Dagmar Schmidt, MdB