Die SPD hat leider den Antrag 20/4886 der CDU/CSU zum Thema ME/CFS abgelehnt. Warum gab es keinen Gegenentwurf der SPD? Weshalb wird dringend notwendige Hilfe durch die SPD weiter sinnlos verzögert?
ME/CFS (G93.3) ist eine in Deutschland seit Jahrzehnten vergessene Erkrankung, obwohl sie häufig ist und stellt eine stille humanitäre Katastrophe dar. Dies muss nun dringend und schnell beendet werden. Echte Hilfe muss endlich bei den Erkrankten ankommen. Das Leid durch die Erkrankung und das im Stich lassen durch den Staat der vielen Betroffenen ist sehr groß! Nach aktuellem internationalen wissenschaftlichen Forschungsstand ist ME/CFS eine schwere, komplexe, häufige, chronische neuroimmunologische Multisystemerkrankung (siehe WHO, CDC, NIH, NICE, EUROMENE, RKI, Bundesärztekammer, KBV, IQWiG, Charite Berlin, WD des Dt. Bundestages). Wie ist Ihre Position zu ME/CFS und was werden Sie persönlich und die SPD konkret unternehmen, um die sehr schlechte Situation bei weiterhin nicht vorhandener Versorgung, kaum stattfindender Forschung und fehlender Anerkennung ernsthaft und engagiert deutlich zu verbessern? Die SPD und das BMG zeigen hier enttäuschenderweise bequem keinerlei Eile.
Sehr geehrter Herr A.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und dass Sie sich mit ihrem Anliegen an mich gewandt haben. Anfang Januar 2022 habe ich mich mit Betroffenen der Initiative Nicht-Genesen über den langwierigen Leidensweg den Menschen und ihre Angehörigen bis zu der niederschmetternden Diagnose ME/CFS hinter sich haben, ausgetauscht. Ich teile ihre Sorge angesichts der noch unzureichenden Wahrnehmung und Versorgung dieser Krankheit.
Sie sprechen in ihrer Nachricht den Antrag der CDU/CSU an, dessen Hauptanliegen die finanzielle und strukturelle Förderung von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für ME/CFS ist. Auf genau dieses Ziel hat sich die Ampelkoalition bereits in ihrem Koalitionsvertrag im Herbst 2021 verständigt: die Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long-COVID und ME/CFS-Betroffene.
Nun kommt es darauf an, die Vereinbarung des Koalitionsvertrag gemeinsam mit den Ländern und Kassenärztlichen Vereinigungen auch zügig umzusetzen. Dafür hat der Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, erst jüngst die Dringlichkeit verstärkter Forschungsangstregungen zu Long-Covid und ME/CFS öffentlichkeitswirksam unterstrichen. In diesem Zusammenhang hat er angekündigt, sich für die Aufstockung der Mittel des Bundesministeriums für Gesundheit für diesen Bereich in den kommenden Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestages einzusetzen.
Diese finanzielle Förderung soll dann deutschlandweit an mehrere Zentren mit Expertise gehen, die verschiedene Versorgungsansätze testen. Hierzu laufen zwischen den Beteiligten intensive Gespräche. Selbsthilfevereinigungen und die Akteure des Gesundheitswesens sind ebenfalls ihrerseits aktiv geworden und haben Anlaufstellen für die betroffene Menschen und ihre Angehörigen identifiziert und veröffentlicht. Beispiele sind das Fatigue Centrum der Charité – Universitätsmedizin Berlin oder auch das Netz von Long-Covid-Ambulanzen im ganzen Land. Hier finden Sie eine Übersicht der Angebote: Post-COVID-19-Ambulanzen - Long COVID Deutschland.
Um die Versorgung zügig zu verbessern, haben wir im Bundestag, mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), das höchste Beschlussgremium im Gesundheitswesen, gesetzlich damit beauftragt bis Ende des Jahres eine Richtlinie für eine berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung für Personen mit Long-/POST-COVID zu beschließen. Der G-BA kann dabei den Anwendungsbereich der Richtlinie auch auf die Versorgung von ähnlichen oder hiermit in Verbindung stehenden Krankheitsbildern erstrecken. Hierfür käme auch ME/CFS in Betracht.
Sie sprechen neben der Versorgung auch die Forschung an. Die konkreten Ursachen der Erkrankung sind leider noch nicht im Detail bekannt, da es sich um ein sehr vielfältiges Krankheitsbild handelt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert deshalb die Etablierung der Nationalen Klinischen Studiengruppe „Post-Covid-Syndrom und ME/CFS“ zur Durchführung von klinischen Phase II Studien mit insgesamt 10 Millionen Euro bis Ende 2023. Hier sollen bereits zugelassene Medikamente identifiziert werden, die bei positiven Studienergebnissen schnell in die Versorgung gelangen können. Auf Ebene des Bundesgesundheitsministerium wird außerdem derzeit ein Verbund des Klinikums rechts der Isar der TU München und der Charité Berlin gefördert. Ziel ist der Aufbau eines altersübergreifenden klinischen Registers mit einer Biodatenbank.
Darüber hinaus hat das BMG das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bereits im März 2021 damit beauftragt, den aktuellen Wissenstand zu ME/CFS systematisch aufzuarbeiten. Ein abschließender Bericht wird im Juni dieses Jahres erwartet. In einem weiteren Schritt werden dann die bereits laufenden Aufklärungskampagnen weiter ausgebaut und auf eine noch validere Grundlage gestellt. Dies ist wichtig um das Bewusstsein für diese Erkrankung in der Bevölkerung sowie in der Ärzteschaft zu stärken, damit Betroffene schneller diagnostiziert werden können.
Mir ist bewusst, dass die Forschungs- und Versorgungslage für die Betroffenen und ihre Angehörigen derzeit nicht zufriedenstellend ist. Der Aufbau der nötigen Infrastruktur ist leider ein langsamer Prozess. Ich versichere Ihnen, dass wir auf politischer Ebene nicht nachlassen werden und auch weiterhin im Rahmen unsere Möglichkeiten bei Wissenschaft, Forschung und Ärzteverbände auf ihr Anliegen hinweisen, Fortschritte anmahnen und durch finanzielle Mittel unterstützen werden.
Wenn Sie Fragen haben sollten oder weitere Informationen benötigen, können Sie sich jederzeit an mich wenden,
mit freundlichen Grüßen
Ihre
Dagmar Schmidt, MdB