Frage an Dagmar Schmidt von Reiner R. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Schmidt,
habe gerade den folgenden Artikla auf Spiegel-Online gelesen (Link: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/tausende-asylbewerber-mehrfach-abgeschoben-deutschland-a-1299141.html ).
Ich mache mir da ernsthaft Gedanken. Warum ist unser Rechtsstaat (sind wir das noch?) nicht in der Lage, die Rückkehr nicht anerkannter und abgeschobener Asylbewerber zu verhindern. Da hat man als "Normalbürger" das Gefühl, dass wirklich jeder in dieses Land einreisen kann wie er will und es dann nur noch schwer möglich ist, diese Leute wieder abzuschieben. Selbst wenn sie nicht berechtigt sind hier zu sein bzw. hier zu bleiben. Ich befürchte, dass uns dieses Problem mittelfristig noch schwer auf die Füße fallen wird.
Ist man denn, von Seiten der Politik, wirklich nicht in der Lage hier etwas zu unternehmen?
Mit freundlichen Grüßen
R. R.
Sehr geehrter Herr Benner,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Rückkehr abgeschobener Asylsuchender.
Natürlich ist es grundsätzlich ärgerlich, wenn abgeschobene Asylsuchende nach ihrer Abschiebung wieder nach Deutschland einreisen, vor allem wenn einige damit eine mit der Abschiebung verhängte Einreisesperre missachten. Trotzdem bin ich nicht der Auffassung, dass wir deswegen unser Asylrecht grundlegend reformieren müssen. Es gibt ja durchaus auch Fälle in denen es Gründe für eine Wiedereinreise nach Deutschland geben kann: Eine Abschiebung hindert Asylsuchende nach den europäischen Regelungen nicht grundsätzlich daran, ein neues Schutzbegehren zu äußern. Das gilt im Übrigen auch für die anderen EU-Mitgliedstaaten. Es können sich aufgrund von geänderten Lebensumständen oder geänderten Voraussetzungen im Herkunftsland neue Asylgründe ergeben haben. In diesen Fällen müssen Asylsuchende die Möglichkeit haben, diese vorzubringen und einen neuen Asylantrag zu stellen. Der Fall Miri ist dabei ein besonders extremes Beispiel. Aber gerade dieser Fall ist doch auch ein Beispiel, dass unser Rechtsstaat hier funktioniert. Der Asylantrag von Herrn Miri wurde in kürzester Zeit sehr genau geprüft und er wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Das ist die „schärfste“ Form der Ablehnung. Es gibt nur kurze Rechtsschutzfristen, eine Klage gegen den Bescheid entfaltet keine aufschiebende Wirkung. Die erneute Abschiebung des Herrn Miri zurück in den Libanon wurde bereits vollzogen. Im Übrigen saß Herr Miri aufgrund seiner unerlaubten Einreise in Abschiebehaft, auch das geben unsere bestehenden Gesetze her. Natürlich haben Sie Recht, so ein Verfahren kostet unterm Strich auch immer Geld. Bei dem Großteil der Menschen, die nach einer Abschiebung wieder nach Deutschland kommen, handelt es sich allerdings nicht um Fälle wie Miri, in denen Personen mit viel Aufwand und hohen Kosten in Drittstaaten abgeschoben wurden, sondern um Personen, die nach den Dublin-Regelungen ihr Asylverfahren in einem anderen europäischen Staat durchführen müssen und daher dorthin zurückgebracht werden. Und in Bezug auf diese, sogenannte „Sekundärmigration“ haben wir gerade vor dem Sommer Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz beschlossen, nach denen in solchen Fällen die Leistungen auf das Notwendigste reduziert werden. Das sehe ich persönlich kritisch, da wir immer auch der Menschenwürde gerecht werden müssen. In diesem Zusammenhang wurden übrigens mit dem Geordnete-Rückkehr-Gesetz weitere Regelungen verschärft, insbesondere auch, was den Umgang mit kriminellen Asylsuchenden oder auch Gefährdern angeht. Menschen, die hier eine Straftat begangen haben, können nun deutlich schneller ausgewiesen und abgeschoben werden. Auch der Bereich der Wiedereinreisesperre und der Abschiebehaft wurde in diesem Zusammenhang angegangen. Ein Ergebnis dieser Verschärfung war bereits im Umgang mit dem Fall Miri zu sehen.
Zum Schluss will ich Sie darauf hinweisen, dass die Zugangszahlen von Asylsuchenden in diesem Jahr auf dem niedrigsten Stand seit 2013 sind und die Bundesländer abgelehnte Asylsuchende verstärkt abschieben.
Den weitaus höheren Reformbedarf sehe ich für diesen Themenkomplex innerhalb der europäischen Union. Wir brauchen eine bessere Kontrolle bei der Einreise an den EU-Außengrenzen. Aktuell wurde daher beschlossen die EU-Grenzschutztruppe Frontex bis 2027 auf bis zu 10.000 Einsatzkräfte auszubauen. Aber was wir noch brauchen ist jetzt ein gerechtes und solidarisches Asylsystem in ganz Europa mit zumindest ähnliche rechtsstaatliche und humanitäre Voraussetzungen für Asylsuchende in allen Mitgliedstaaten.
Abschließend möchte ich noch betonen, dass die Menschen in der Regel nicht aus ihrer Heimat fliehen, um „sich ein Leben im deutschen Sozialstaat zu erschleichen“, sondern Krieg, Verfolgung, Hunger, Umweltkatastrophen, Leid, Elend und Perspektivlosigkeit veranlassen die Menschen dazu. Deshalb brauchen wir keine Festung Europa, sondern Mitgefühl und eine humanitäre Politik, die denjenigen Schutz und Sicherheit bietet, die diesen Schutz benötigen. Gerade Weihnachten erinnert uns daran.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr.
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Schmidt, MdB