Frage an Dagmar Roth-Behrendt von Peter K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Roth-Behrendt,
wir alle wissen, wie sehr Lobby-Arbeit von Interessensgruppen Politik beeinflussen kann.
Häufig wird solche Arbeit "im Verborgenen" getan. Während der einfache Bürger Zugang zur Information über den Hintergrund eines Abgeordneten hat, ist über die Vektoren der Lobbyisten oder die Einflüsse, denen die Abgeordneten ausgesetzt sind, in den wenigsten Fällen etwas bekannt.
Der genannte einfache Bürger kann also deshalb sich weder ein Bild machen, welchen Einflüssen ein Abgeordneter ausgesetzt ist, noch hat er eine Möglichkeit - aus genau diesem Grund - sich dazu zu äußern.
Ist es nicht wichtig aber auch nötig, ein Instrument zu schaffen, durch das z.B. offengelegt wird, welcher Abgeordnete von welchen Interessensgruppen oder vertretern der Wirtschaft wie häufig aufgesucht wird? Der Gedanke mag naiv sein, ich könnte mir jedoch vorstellen, daß es deutlich zum Mitmachen "an" der Politik anregt, wenn man wirklich weiß, mit wem man es zu tun hat.
Vielleicht ändert Klarheit und Wahrheit an dieser Stelle - analog zum Aufdecken der Abgeordneten-Nebenbeschäftigungen - ja auch die Richtung, in der Politik für jeden gemacht wird. Vielleicht können wir historisch gewachsene Entwicklungen wie z.B. in den USA (...die Waffenlobby verhinderte eine Verschärfung des Gesetzes...) auf diese Weise eindämmen oder verhindern?
Bitte, wie stehen Sie persönlich zur Lobbyarbeit von Interessensgruppen aller Farben?
Vielen Dank für Ihre Zeit,
mit freundlichem Gruß
Peter Krumholz
Nachsatz: Ich erlaube mir, die gleiche Mail an alle Berliner EU Abgeordneten zu schicken und um Antwort zu bitten. K
Sehr geehrter Herr Krumholz,
Vielen Dank für Ihre Anfrage. Gern möchte ich auf Ihre Fragen eingehen.
In ihrem Schreiben kritisieren Sie vor allem die mangelnde Transparenz des Lobbyismus und die schwer nachvollziehbare Beeinflussung von Abgeordneten.
Zunächst ist Lobbyismus im Kern nichts anderes als die Vermittlung von Interessen auf der politischen Ebene. Dabei werden die Interessen von unterschiedlichsten Gruppen und Akteuren vertreten, z.B. von Verbänden, Umweltorganisationen, Bürgerbewegungen, einzelnen Firmen, Gewerkschaften, EU-Mitgliedsländern und Drittstaaten aber auch von Regionen und Kommunen.
Oft wird außer Acht gelassen, daß auch Vertreter sogenannter "guter Ideen" wie Umwelt-, Verbraucher- oder Tierschutz ebenso Lobbyisten sind (und im Übrigen sind es nicht unbedingt die Industrieverbände, die ihre Interessen mit besonderem Nachdruck vertreten).
Für mich ist es in meiner Arbeit unabdingbar zu wissen, wer hinter den jeweiligen Informationen steht, um die Eigeninteressen der Lobbyisten abschätzen zu können. Grundsätzlich ist es daher von enormer Bedeutung, Transparenz herzustellen, um auf diese Weise Mißbrauch vorzubeugen.
Diesem Ansatz folgt auch die Europäische Transparenzinitiative (ETI), die von der Europäischen Kommission bereits im November 2005 initiiert wurde. Ziel dieser Initiative ist vor allem die Verbesserung der Transparenz bei der Lobbyarbeit, aber auch die klare Bestimmung, welche Rolle Lobbyisten im Entscheidungsprozeß der Europäischen Institutionen einnehmen sollen. Zu diesem Zweck soll ein allgemeines Register für Lobbyisten sowie ein verbindlicher Verhaltenskodex entwickelt werden. Ein solches Register wäre ein, wie von Ihnen gefordertes, geeignetes Instrument zur Offenlegung von Interessen.
Das Europäische Parlament hat bereits 1996 ein Register sowie einen Verhaltenskodex für Lobbyisten eingeführt (Art. 9 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments). Durch die Registrierung und damit verbunden die Verpflichtung zur Einhaltung des Verhaltenskodexes wird den Lobbyisten Zugang zum Parlamentsgebäude gewährt. Der Verhaltenskodex verpflichtet die Lobbyisten u.a., ihren persönlichen Ausweis, welcher den Namen des Lobbyisten und dessen Auftraggeber zeigt, immer sichtbar zu tragen und ihre Interessen gegenüber Mitgliedern des Parlamentes offen zu legen.
Ich persönlich halte diese Vorgehensweise für sehr sinnvoll, da so gewährleistet wird, daß die Abgeordneten stets über die Auftraggeber der Informationen im Klaren sind. Ich werde mich daher auch zukünftig für die Einführung eines Gesamtregisters für alle EU-Institutionen einsetzen.
Ein Wort zum Abschluß: Das Anhören von Interessen bedeutet dabei jedoch in keiner Weise die komplette Übernahme der Positionen. Vielmehr ermöglicht es, ein umfassendes Meinungsbild zu entwickeln. Dies ist gleichzeitig die Voraussetzung, um verantwortungsvolle Gesetze formulieren zu können. Schließlich ist es zwingend notwendig, die Meinungen, Probleme und Anliegen aller Betroffenen zu berücksichtigen, die von den Entscheidungen unmittelbar berührt werden.
Ich bemühe mich daher stets, mir einen ausgewogenen Gesamteindruck aller Interessen zu verschaffen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dagmar Roth-Behrendt