Frage an Dagmar Enkelmann von Peter J. S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geeherte Dr. Enkelmann,
ich habe ein Problem mit dem Begriff Demokratie, da der ehrenwerte Prof. John Kenneth Arrow nachgewiesen hat, das es kein demokratisches Wahlsystem gibt. Er hat unter anderm dafür den Nobelpreis f. Wirschaftswissenschaften erhalten. (siehe die Axiome f. Demokratie und anderes in wikipedia). Nun hat auch das Verfassungsgericht festgestellt, das unser Wahlsystem prinzipiell nicht demokratisch ist (Überhangsmandate), aber setzt weder den Bundestag ausser Kraft als illegal noch wird darauf bestanden, dass Wahlrecht bis 2009 zu ändern. Was ist das hier für eine Bananenrepublik?
Ich würde über Ihre Meinung freuen
Mit besten Grüssen
Dr. Peter J Stauvermann
Sehr geehrter Herr Stauvermann,
zunächst möchte ich - in Ergänzung Ihrer Frage - darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem von Ihnen angeführten Entscheid die Paragrafen des Bundeswahlgesetzes für verfassungswidrig erklärte, die die so genannten Überhangmandate betreffen. Damit, so das Gericht, sei die Wahl zum 16. Bundestag auf verfassungswidriger Grundlage erfolgt. Das ist aber nicht gleichbedeutend mit Ihrer Feststellung, das derzeitige Wahlsystem sei prinzipiell nicht demokratisch.
Was eine mögliche Auflösung des Bundestages betrifft, so hätte das Bundesverfassungsgericht dazu durchaus die Kompetenz gehabt. In der Begründung des Gerichts zur Nichtauflösung wird jedoch ausgeführt, dass das Interesse am Bestandsschutz der im Vertrauen auf die Verfassungsmäßigkeit des Bundeswahlgesetzes zusammengesetzten Volksvertretung überwiegt. Eine Auflösung des Bundestags ohne eine vorhergehende Änderung des Wahlrechts hätte des Weiteren dazu geführt, dass der neue Bundestag wieder auf verfassungswidrige Weise gewählt worden wäre.
Laut dem Urteil muss bis spätestens zum 30. Juni 2011 eine Änderung des Gesetzes erfolgen. Die lange Frist wird seitens des Bundesverfassungsgerichts u.a. damit begründet, dass die zu ändernden Regelungen sehr komplex seien. Die Richter forderten eine "neue, normenklare und verständliche Grundlage", weil die Berechnung der Sitzverteilung auf einem für die Bürgerinnen und Bürger kaum noch nachzuvollziehenden Regelungsgeflecht erfolge.
Dessungeachtet gibt es politische Bestrebungen, das Wahlrecht bereits vor der nächsten Bundestagswahl 2009 in verfassungskonformer Weise zu ändern. Ob diese Bestrebungen, die von mir befürwortet werden, Erfolg haben werden, lässt sich gegenwärtig aber nicht beurteilen.
Ihre - mit Bezug auf Prof. Arrow vertretene Ansicht - dass es kein demokratisches Wahlsystem gebe, teile ich nicht. Zu einer lebendigen Demokratie, wie ich sie verstehe, gehört es, die demokratischen Regeln von Zeit zu Zeit zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat dazu bereits 2006 den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz vorgelegt (Bundestags-Drucksache 16/1411).
Darüber hinaus bemüht sich die Fraktion DIE LINKE seit längerem, angesichts des großen Übergewichts der Großen Koalition die Rechte der Minderheits-Fraktionen im Deutschen Bundestag zu stärken. Das ist kein leichtes Unterfangen - einen anderen Weg als Überzeugungsarbeit und politisches Engagement in- und außerhalb der Parlamente, um die Verhältnisse demokratischer zu gestalten, gibt es aber nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dagmar Enkelmann