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Dagmar Enkelmann
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Frage von Karsten M. •

Frage an Dagmar Enkelmann von Karsten M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Dr. Enkelmann,

schade, dass nicht alle Ihrer Kollegen/innen sich die Mühe machen, Fragen, noch dazu so ausführlich, zu beantworten. Ich kann nur sagen: Weiter so!

Das Herr Schäuble und sein Gefolge Stück für Stück unser Datenschutzrecht aushebeln, ist aus meiner Sicht einer der schlimmsten Ergebnisse der aktuellen Koalition. Datenschutz ist ein wesentlicher Baustein des Vertrauens in diesen Staat und sollte im Gegenteil wesentlich gestärkt werden!
Da ich derzeit wiedermal mit der GEZ zu tun habe, stelle ich mal wieder fest, dass die GEZ ein Paradebeispiel dafür ist, wie der Staat Datenschutzrecht gezielt für seine eigenen Interessen aushebelt - obwohl ich nichtmal verstehe, wozu dieser Aufwand getrieben wird, wäre eine Rundfunksteuer nicht wesentlich einfacher zu gestalten, billiger und letztendlich auch gerechter?

Dazu zwei Fragen, die irgendwie zusammengehören:

Speziell:
Wann wird endlich den, zum Teil verbrecherischen, Verhaltensweisen der GEZ Einhalt geboten und Gesetze, die der GEZ quasi freie Hand geben, endlich eingestampft?

Allgemein:
Wann wird das Thema Datenschutz endlich lautstark diskutiert und der Bürger darüber informiert, was mit seinen Daten angestellt werden kann? - zwar sehe/lese ich Berichte in diesem Zusammenhang, bezweifle aber, dass das die breite Masse macht. Ganz zu schweigen, dass extrem viele Menschen sich des Risikos gar nicht bewusst sind.
("Ich habe nichts zu verbergen" höre ich leider VIEL zu oft)

Mit freundlichen Grüßen,
Karsten Meier

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Meier,

die von Ihnen angesprochenen Probleme mit dem Datenschutz bei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) sind für viele Bürgerinnen und Bürger ein Ärgernis. Laut dem bestehenden Rundfunkstaatsvertrag erhält die GEZ über die Meldeämter nicht nur Adressdaten, die ihr z.B. bei Umzügen automatisch die neuen Anschriften zuleiten, sondern sie darf auch ganz legal personenbezogene Daten erwerben und nutzen. Dies schließt den Kauf von Datensätzen bei kommerziellen Adressenhändlern ein. Die Folge: Sämtliche, möglicherweise noch nicht erfasste Personen werden als potenzielle Schwarzseher und -hörer angeschrieben und können von so genannten Rundfunkbeauftragen besucht werden. Insgesamt gesehen kommt der Datenbestand der GEZ praktisch einem "Bundesmelderegister" gleich. Das ist weder rechtlich zulässig noch von der LINKEN politisch gewollt.

Der Zugriff auf diese Daten durch die Rundfunkbeauftragten und die Sachbearbeiter in den Rundfunkanstalten wirft zudem Fragen hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Kontrolle auf. Nicht in allen Bundesländern ist sichergestellt, dass die Aufsicht über die Daten von unabhängigen Datenschutzbeauftragten gewährleistet wird.

Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag setzt sich für einen bürgerfreundlichen und bürgernahen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein. Dazu zählt auch Transparenz bei der GEZ und bei den von den Rundfunkanstalten engagierten Gebührenbeauftragten, über deren dubiose Fahndungsmethoden und aggressives Verhalten es leider immer wieder Beschwerden gibt. Ein erster Schritt, um die Situation zu ändern, wäre, wenn die Gebührenkontrolleure nicht mehr über Provisionen bezahlt würden. Bislang verdienen sie umso besser, je mehr Gebühren sie eintreiben. Folglich haben sie nicht nur ein Interesse an neuen Gebührenzahlerinnen und -zahlern, sondern insbesondere an hohen Nachzahlungen.

Zwingend notwendig erscheint es zudem, dass die Gebührenbeauftragten auf einen Verhaltenskodex eingeschworen werden, nach dem potenzielle Gebührenzahler eben nicht wie "Kriminelle" sondern wie Kunden eines Dienstleisters zu behandeln sind.

Für weiterreichende und grundlegende Änderungen auch des Systems des Gebühreneinzugs bedarf es allerdings einer Reform des Rundfunkrechts, das in der Bundesrepublik, wie Sie sicher wissen, in der Hoheit der Länder liegt. Eine Finanzierung durch eine Rundfunksteuer scheidet jedoch aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Staatsferne des Rundfunks aus. Auch aus europapolitischen Erwägungen - die EU-Kommission betrachtet die Rundfunkfinanzierung in Deutschland als unerlaubte staatliche Beihilfe, die lediglich als sogenannte Alt-Beihilfe EU-konform ist - scheint es erforderlich, das bestehende Modell weiterzuentwickeln und zu modernisieren. Davon ausgehend erarbeitet die Fraktion DIE LINKE gegenwärtig ein Alternativmodell, das die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Digitalzeitalter mit den sich unter diesen Bedingungen verschärfenden Anforderungen an den Datenschutz gewährleisten soll.

Wie beim Gebühreneinzug setzt sich die LINKE natürlich auch generell für eine Reform des Datenschutzrechts ein, die im Kern auf eine möglichst sparsame Erhebung von Daten sowie vor allem auf Transparenz hinausläuft. Das scheinheilige Argument, wer nichts zu verbergen habe, brauche auch nichts zu befürchten, rechtfertigt auch für mich nicht die gegenwärtige Datensammelwut des Staates. Es geht hier im Kern um den Erhalt der informationellen Selbstbestimmung jeder Bürgerin und jedes Bürgers. So will die LINKE u.a. ein Recht der Bürgerinnen und Bürger auf eine kostenlose jährliche Auskunft, welche Daten wo gespeichert sind und wie diese Daten verwendet werden. Auch wenn private Dienstleister Daten von Kundinnen und Kunden erheben wollen, so muss unserer Auffassung nach dazu jedes Mal die Erlaubnis der Betroffenen eingeholt werden und nicht klammheimlich von deren Zustimmung ausgegangen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dagmar Enkelmann