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Dagmar Enkelmann
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Frage von Bärbel T. •

Frage an Dagmar Enkelmann von Bärbel T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Enkelmann,

mit Interesse habe ich die Gesprächsrunde mit Anne Will verfolgt und stimme Ihnen in Ihren Ausführungen unbedingt zu.
Es ist richtig, dass sich Vieles in unserem Land positiv verändert hat, und wir die vielen neuen Häuser, Straßen und Autobahnen bewundern können, aber ein Großteil der Menschen ist dabei leider auf der Strecke geblieben und wird nicht mitgenommen. Persönliche Schicksale treiben die Menschen oftmals in die Demokratieverdrossenheit, ganz gleich ob man arbeitslos wurde und vergebens nach Arbeit sucht, man sich abgeschoben fühlt oder merkt, dass man als Mensch 2. Klasse behandelt wird. Warum werden die Menschen in Ost und West nach fast 20 Jahren noch immer nicht gleichberechtigt behandelt? Warum erhalten Lehrer, Bibliothekare, Ärzte, Krankenschwestern und viele andere, deren Arbeiten vergleichbar sind in Ost und West nicht den gleichen Lohn? Ich habe 32 Jahre als Lehrerin und nach der Wende 15 Jahre lang in einem Betrieb als AD und NL-Leiter gearbeitet und erhalte heute nach 47 Jahren Arbeitsjahren eine Rente, die weniger wert ist, als ich zu DDR-Zeiten bekommen hätte. Nach der "großzügigen und gerechten" Rentenerhöhung, wie Herr Müntefering verkündete, bekam ich genau 8,99 € mehr, wirklich einfach großzügig. Dafür musste ich bei meinem 1. Arztbesuch am 2.7. 10 € Praxisgebühr bezahlen, da die Hausarztgebühr bei der Barmer, die ich bis dahin in Anspruch nehmen konnte, seit 1.7. auch wegfiel. Wir hier im Osten, erhalten alle nur Rente, gleich ob wir Arbeiter, Lehrer oder Behördenangestellte waren und fast alle Frauen haben gearbeitet. Hier gibt es keine Pensionen. Wenn Herr Schönboom von höherer Rente im Osten als im Westen spricht, ist das eine Lüge. Denn nicht mitgezählt werden im Westen alle Pensionen, die Betriebsrenten, Immobilien etc. All das sind Gründe der Demokratieverdrossenheit. Ich könnte noch Vieles aufzählen, was mir zuwider ist und wofür es sich zu kämpfen lohnen würde.

Mit freundlichem Gruß
B. Tonndorf

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Tonndorf,

leider muss ich Ihnen zustimmen: Auch fast zwei Jahrzehnte nach der Einheit werden die ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger nicht gleichbehandelt. Seit einigen Jahren gibt es auch keine wirklichen Fortschritte mehr bei der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West. Ob wir uns die Wirtschaft, die Einkommen oder die Steuereinahmen der öffentlichen Hand im Osten ansehen - der Abstand zum westdeutschen Niveau wird nicht spürbar geringer. Das räumt die Bundesregierung in ihren jährlichen Berichten zum Stand der Deutschen Einheit auch ein. Die Zahlen, wie es um die neuen Länder bestellt ist, sind dort säuberlich aufgereiht. Was aber fehlt - und da hat auch eine Bundeskanzlerin aus dem Osten keine Verbesserung bewirkt - sind Schlussfolgerungen und konkrete Maßnahmen, wie Ostdeutschland aus dem Teufelskreis geringerer Wirtschaftskraft und hoher Arbeitslosigkeit, von fehlenden Zukunftsperspektiven und Abwanderung herauskommen kann.

Die Fraktion DIE LINKE hat ihre Forderungen dazu in einem Antrag (Bundestag-Drucksache 16/8417) zusammengefasst, den wir anlässlich einer Debatte zum erwähnten Bericht zum Stand der Deutschen Einheit in den Bundestag eingebracht haben. Wir fordern von der Bundesregierung ein Gesamtkonzept zum Aufbau Ost, um bis 2019 - dem Auslaufen des Solidarpakts II - endlich zu einer selbsttragenden wirtschaftlichen Entwicklung im Osten zu kommen.

Dabei gilt es, wirtschaftliche Besonderheiten des Ostens viel stärker zu beachten. So muss in den neuen Ländern - weil es an forschungsintensiven privaten Unternehmen fehlt - die universitäre Forschung viel stärker gefördert und seitens des Bundes und der Länder unterstützt werden. Das geschieht bisher leider nicht. Eine kräftige Entwicklung von Forschung und Entwicklung ist aber einer der Schlüssel, damit die neuen Ländern überhaupt ökonomisch auf eigene Beine kommen.

Für die LINKE ist es auch ein Gebot der Gleichbehandlung, der grundgesetzlichen Vorschrift zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ganzen Land, dass mit den Benachteiligungen der Bürgerinnen und Bürger in den neuen Ländern endlich Schluss gemacht wird. Wir fordern eine rasche Angleichung aller Löhne und Gehälter ans Westniveau. Bis spätestens 2012 kann unserer Auffassung nach auch der Rentenwert Ost an den im Westen geltenden angeglichen sein. Dazu hat meine Fraktion DIE LINKE auch einen entsprechenden Antrag im Bundestag eingebracht. (Bundestags-Drucksache 16/6734). Denn inzwischen trifft die Diskriminierung nicht nur Ältere, sondern auch junge Menschen, die mit der DDR nun gar nichts mehr zu tun haben. Wer nach 1990 in den neuen Ländern geboren ist und jetzt z.B. nach einer Lehre ins Berufsleben einsteigt, wird künftig für die gleiche Arbeit weiterhin weniger Rentenpunkte angerechnet bekommen.

Mit freundlichen Grüßen