Frage an Dagmar Enkelmann von Jürgen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Enkelmann,
in einer Ihrer Antworten erwähnen Sie ihr "antifaschistisches Weltbild". Sicherlich sind jedem verrnünftigem Menschen die Verbrechen im Namen der nationalsozialistischen Ideologie bewusst. Aber Ihnen als Historikerin sind sicherlich auch die Grausamkeiten, die mit unter dem Vorwand des Antifaschismus begangen worden, bekannt. Schon Stalin benutzte den Begriff "Faschist" um gegen Gegner in den eigenen Reihen vorzugehen, sie zu deportieren und zu töten. Auch Sozialdemokraten gerieten schon unter die Keule des "Antifaschismus". Das darf uns nicht kalt lassen - all diese Verbrechen, die Gulags, die Hinrichtungen, Verschleppungen u.s.w. die im Namen des Kommunismus begangen worden sind. Das Gleiche gilt für den Nationalsozialismus, der sich neben vielen anderen Aspekte auch gegen die kulturellen christlich-abendländischen Wurzeln Europas richtete.
Ein "antitotalitäres Weltbild" halte ich daher für seröser. Es ist umfassender und grenz keine Opfer aus. Ich hoffe, dass Sie sich dahin noch entwickeln können.
Ich möchte Sie deshalb fragen, ob Sie sich dem "antitotalitären Weltbild" anstelle des "antifaschistischen Weltbildes" anschließen würden?
Nein, ich schließe mich nicht einem „antitotalitärem“ anstelle eines antifaschistischen Weltbildes an. Damit stelle ich keineswegs die Verbrechen in Abrede, die besonders unter Stalin an Millionen Menschen begangen wurden. Diese sind unentschuldbar und haben gerade den Völkern der einstigen Sowjetunion einen Blutzoll abverlangt, der nur schwer zu ermessen ist und niemals in Vergessenheit geraten darf.
Auch die „Sozialfaschismus“-These, mit der insbesondere zu Zeiten der Weimarer Republik Kommunisten gegen Sozialdemokraten zu Felde zogen, halte ich für verhängnisvoll. Sie trug mit dazu bei, die notwendige Einheitsfront aller demokratischen Kräfte gegen den aufkommenden Faschismus in Deutschland zu verhindern. Eine geschichtliche Lehre übrigens, die heute aktueller denn je ist.
Die Verbrechen des Stalinschen Systems und andere historische Fehler und Irrtümer aber mit der gezielten und geplanten Auslöschung des gesamten jüdischen Volkes durch die Nazis, der industriemäßigen Vernichtung Millionen unschuldiger Menschen allein aufgrund einer willkürlichen rassistischen Zuordnung sowie der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch den deutschen Faschismus und Militarismus gleichzusetzen, läuft auf eine unzulässige Relativierung des deutschen Faschismus hinaus. Dieser ist und bleibt eine – hoffentlich - singuläre Erscheinung der Weltgeschichte und nur aus diesem Blickwinkel ist auch eine wirksame Bekämpfung heutiger rechtsextremer Entwicklungen in der Bundesrepublik möglich.
Wenn ich das als Historikerin hinzufügen darf: Wie die neuere Entwicklung der Geschichtswissenschaft gezeigt hat, ist die Totalitarismus-These nicht nur politisch unseriös, sondern auch wissenschaftlich unfruchtbar. Wer Unvergleichbares gleichsetzen will, muss am Ende eben die Wirklichkeit verbiegen – und vergeht sich letztlich an der geschichtlichen Wahrheit.