Frage an Dagmar Enkelmann von Gernot B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Enkelmann,
so sehr ich die meisten - eigentlich alle - Ihrer politischen Ansichten achte, so bin ich doch über Ihre argumentative Verteidigung enttäuscht ; Sie lassen sich einfach zu viel die Butter vom Brot nehmen. Fast alle heute in der Diskussion stehenden sozialen, finanzpolitischen aber auch internationalen Probleme haben Sie in fernerer, aber auch in aktueller Zeit verständlich und im Interesse der Bevölkerung als erste Partei auf die Agenda gebracht. Heute lassen Sie es in den an die Öffentlichkeit gelangenden Auseinandersetzungen zu, daß andere Parteien damit auf Stimmenfang gehen.Als wenige Beispiele denke ich dabei an einen Mindestlohn, an die Verbesserung der Arbietsbedingungen der Zeit- und Leiharbeiter, an mehrere Initiativen zur Bildungspolitik und an die Schul- und Vorschulbildung; aber auch an den gesamten Komplex der Entmachtung bzw. Regulierung der Finanzmärkte und, und....Wie lange wollen Sie sich das noch gefallen lassen, daß - wie zuletzt Her Kauder nach der tollen Rede von Frau Wagenknecht - fehlende Gegenargumente mit blöden und zum Großteil unwahren Hinweisen auf die DDR-Politik die Wirkung Ihrer Argumente mindern (wenn das wirklich Unsinn ist, müßten Sie doch mit einem Schwall von Zwischenfragen solche Redner unglaubwürdig machen).
Und : Gibt es nicht genügend stichhaltige Argumente den bürgerlichen Parteien Ihre fehlende Kompetez in Fragen der Wirtschaftspolitik vorzuhalten? Selbst mir geht es allmählich gegen den Strich, wenn Sie immer nur soziale Verbesserungen fordern und sich so als Partei mit wirtschaftlichen Zielen selber disqualifizieren. Kurz: Sie müssen einfach viel besser in der Darbietung Ihrer ehrenwerten politischen Ziele werden.
Ich wünsche Ihnen weiter viel Kraft bei der Durchsetzung Ihrer politischen Ziele.
Mit freundlichen Grüßen
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Sehr geehrter Herr Boysen,
urlaubsbedingt kann Frau Dr. Enkelmann Ihre Mail leider erst später beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Helga Hummel
Mitarbeiterin
Sehr geehrter Herr Boysen,
zunächst freut es mich, dass Sie meine politischen Ansichten achten und, soweit sich das sagen lässt, offenbar auch unterstützen.
Ihr Eindruck, dass DIE LINKE viele der heute zur Debatte stehenden sozialen, finanzpolitischen und internationalen Probleme als erste Partei auf die Agenda gebracht hat, besteht völlig zu recht. Dass DIE LINKE davon nicht oder nicht ausreichend politisch und bei Wahlen profitiert, hat verschiedene Ursachen. So hatte sich DIE LINKE in den letzten Jahren leider zuviel mit sich selbst beschäftigt, anstatt ihre Vorschläge und Forderungen offensiv zu vertreten. Desweiteren sieht sich DIE LINKE bei ihren politischen Konzepten einerseits eines Desinteresses der führenden, auch der öffentlich-rechtlichen Medien dieses Landes ausgesetzt, andererseits versteht es DIE LINKE noch nicht gut genug, ihre Vorschläge medienwirksam in der Öffentlichkeit „rüberzubringen“. In der, wie Sie schreiben, Darbietung ihrer Ziele muss und kann DIE LINKE ohne Zweifel besser werden. Schließlich macht DIE LINKE ihre Vorschläge nicht in erster Linie, um damit bei den Wählerinnen und Wählern zu punkten, sondern um das Leben der breiten Bevölkerung real zu verbessern.
Dass – wie Sie schildern – immer wieder versucht wird, Argumente der LINKEN mit dem Verweis auf die DDR-Politik zu diskreditieren, erlebe ich, seitdem ich politisch tätig bin. Inzwischen finde ich, dass derartige Vorwürfe mehr über die schwache Position desjenigen verraten, der sie vorbringt, als dass sie DIE LINKE treffen. Es lohnt nicht, hier über jedes Stöckchen zu springen, das der politische Gegner hinhält. Unsere Fraktion reagiert darauf nur noch, wenn offensichtliche Unwahrheiten - wie z.B. zum Umgang mit dem SED-Vermögen – verbreitet werden sollen.
Natürlich gibt es ausreichend Argumente dafür, dass DIE LINKE nicht nur eine soziale, sondern auch eine wirtschaftspolitische Kompetenz hat. Zuletzt hat DIE LINKE z.B. ausgereifte Vorschläge zur Rettung der Drogerie-Kette Schlecker, zur Ostförderung oder zur Energiewende gemacht. Abgeordnete der Fraktion riefen z.B. auch die Genossenschaft „Fairwohnen“ ins Leben, um 11 500 TLG-Wohnungen im Interesse der Mieterinnen und Mieter zu übernehmen. Zwischen unseren sozialen und wirtschaftlichen Forderungen sehe ich aber auch keine chinesische Mauer. So würde z.B. ein gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro bundesweit auch die Kaufkraft stärken, was wiederum Handel, Dienstleistungen und örtliches Gewerbe helfen würde.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dagmar Enkelmann