Frage an Dagmar Enkelmann von Stephan T. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag
ich möchte Sie bitten meine Zweifel am ESM zu zerstreuen.
Wie soll ich meinen 4 Kindern erklären, dass die amtierende Bundesregierung (unsere gewählten Volkszertreter) gerade dabei sind, nicht nur gegen das GrundGesetz, also gegen geltendes nationalstaatliches Recht UND gegen den Maastricher Vertrag, also europäisches Recht zu verstoßen??? Und sie somit schon vor Beginn ihrer eigenen Mündigkeit zu Sklaven der Schulden anderer Länder zu machen?
"Das GG bildet die Grundlage für alle Formen der Mitwirkung der BRD an europäischen und internationalen Vorhaben"
Wie kann es sein das geltendes Recht (Maastrich "NoBailoutClause" + AEU-Vetrag Art.125 "Nichtbestandsklausel) außer Kraft gesetzt wurde (ab Mitte 2012 einfach Änderung: Art. 136 zugefügt) und noch weiterhin wird (Deutschlands Finanzminister kann in dem 9er Gremium/Gouverneusgremium des ESM einfach überstimmt werden - somit werden deutsche Finanzen/deutsche Steuereinnahmen fremdbestimmt) ohne dass sich auch nur der kleinste Unmut darüber regt? Unmut den die gewählten Vertreter sehr wohl mitbekommen (oder nicht?) und folglich mit Hinblick auf die Interessen ihrer Wähler dieser Transfer- & SchuldenUNION endlich ein Ende setzen sollten.
Warum werden marktwirtschaftliche Mechanismen so einfach über Bord geworfen und sozialistische/planwirtschaftliche Forderungen auf einmal zum Allheilmittel? Ein Allheilmittel welches bekanntlich noch nicht einmal wirkt? Mir ist nicht klar warum es für einige kein "Zurück" mehr geben sollte, warum alle Einwände mit "alternativlos" abgebügelt werden und warum unsere Kinder im Endeffekt für das Missmangement zur Verantwortung gezogen werden sollen?
Eine etwas naive Frage zum Schluss:
Kann man die EU verklagen auf Grund von Insolvenzverschleppung?
MfG
Sehr geehrter Herr Tomm,
das Verhalten der amtierenden Bundesregierung meinen drei Kindern zu erklären, fiele mir auch schwer. Den ESM und den Fiskalpakt, so wie sie derzeit beschlossen werden sollen, lehne ich rundweg ab. Meine Motive dafür unterscheiden sich aber teilweise von den Ihren.
Meiner Ansicht nach unterliegen Sie einem Irrtum, wenn Sie annehmen, dass die Bundesrepublik, wie Sie es formulieren, zum „Sklaven der Schulden anderer Länder“ gemacht wird. So hat jetzt gerade das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft ausgerechnet, dass die Bundesrepublik in der Banken- und Finanzkrise seit 2009 aufgrund der deutlich gesunkenen Zinsen für deutsche Staatsanleihen rund 50 Milliarden Euro weniger für den Schuldendienst aufzubringen hatte. Die Belastungen der Bundesrepublik durch die Krise halten sich damit in Grenzen – im Unterschied zu vielen anderen Euroländern, wo ein drastischer Sozialabbau stattfindet und die Arbeitslosigkeit Höchststände erreicht. Es liegt dabei im ureigensten Interesse der Bundesrepublik, dass diese Länder nicht weiter abstürzen, sondern mit einem wirtschaftlichen Hilfsprogramm – ähnlich dem Marschall-Plan nach dem Krieg – ökonomisch wieder auf die Beine kommen. Andernfalls droht auch Deutschland der Gang in die Rezession. Eine „Insolvenz“ der EU, nach der Sie fragen, würde auch für die Bürgerinnen und Bürger hierzulande sozial unabsehbare Folgen haben.
Viele dieser Zusammenhänge sind bei der Regierung noch nicht angekommen. Ich hatte jüngst mehrfach Gelegenheit, im Auftrag meiner Fraktion DIE LINKE im Bundeskanzleramt an den Gesprächen der Regierung mit der Opposition zum Fiskalpakt teilzunehmen. Bisher brachten diese Treffen keine Klarheit, wie die Finanzkrise gelöst werden kann. Die Bundesregierung hält unbeirrt am unsozialen Fiskalpakt fest. Die Vorschläge für einen Wachstumspakt aber sind bisher nichts weiter als unverbindliche Absichtserklärungen. Nach wie vor ist auch von einer Regulierung der Finanzmärkte weit und breit nichts zu sehen. So wird nichts Entscheidendes gegen die wirklichen Ursachen der Krise getan.
Auch in die Gespräche z.B. über die Parlamentsbeteiligung des Bundestages an den Entscheidungen zum ESM bin ich als Vertreterin der Fraktion DIE LINKE direkt eingebunden. Auch hier reichen die bisher von der Regierung gemachten Vorschläge nicht aus, um die von der Verfassung garantierten parlamentarischen Rechte, z.B. das Haushaltsrecht, zu wahren. Die Fraktion Die LINKE bereitet deshalb eine Klage gegen den ESM und den Fiskalpakt vor dem Bundesverfassungsgericht vor.
DIE LINKE bleibt auch bei ihrer Forderung nach einem europäischen Investitionsprogramm, nach wirksamer Förderung des Kampfes gegen Arbeitslosigkeit, insbesondere Jugendarbeitslosigkeit, sowie nach Investitionen für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Zur Regulierung der Finanzmärkte muss so schnell wie möglich eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dagmar Enkelmann