Frage an Dagmar Enkelmann von Horst W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Dagmar Enkelmann!
Warum wird Artikel 146 Grundgesetz in der Bundespolitik seit 20 Jahren derart ignoriert?
Wartet Ihr noch auf weitere Wiedervereinigungen, oder habt Ihr schlichtweg Angst vor
einer Volksabstimmung?
Mit freundlichen Grüßen H. Wieczorek
Sehr geehrter Herr Wieczorek,
mit Ihrem Hinweis auf den Artikel 146 des Grundgesetzes rennen Sie, wie man so sagt, bei mir offene Türen ein. Schon in den Debatten um einen schnellen Beitritt der DDR zur BRD setzte sich die PDS-Fraktion in der damaligen Volkskammer dafür ein, eine gleichberechtigte Vereinigung auf Augenhöhe entsprechend dem Artikel 146 des Grundgesetzes zu vollziehen. Maßstab dafür sollte der Verfassungsentwurf des Runden Tisches sein.
Nach dem überstürzten Beitritt brachte die Gruppe PDS/Linke Liste im Bundestag dann 1994 einen Gesetzentwurf über die Annahme einer neuen Verfassung nach Artikel 146 der Grundgesetzes ein (BT-Drs. 12/6750). Dieser Gesetzentwurf wurde Ende Juni 1994 mit großer Mehrheit von den anderen Fraktionen des Bundestages abgelehnt.
Die in dieser Zeit erstellten Verfassungsentwürfe, insbesondere der erwähnte des Runden Tisches, bilden nach meiner Ansicht weiterhin eine gute Grundlage, um dem Artikel 146 des Grundgesetzes endlich zu seinem Recht zu verhelfen. DIE LINKE hat vor einer Volksabstimmung keineswegs Angst – sie setzt sich im Gegenteil dafür ein, das Grundgesetz durch eine per Volksabstimmung anzunehmende Verfassung zu ersetzen. Viele bewährte Festlegungen des Grundgesetzes können dabei ohne Zweifel übernommen werden. DIE LINKE hält aber z.B. eine stärkere Betonung sozialer und demokratischer Rechte, so des Rechts auf Arbeit und Wohnen oder die Einführung von direkter Demokratie auf Bundesebene, für notwendig.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dagmar Enkelmann