Frage an Dagmar Enkelmann von Luis Alberto Fernández V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Abgeordnete,
vielleicht erinnern Sie sich noch an Ihre Antwort vom 28.01.2010 auf meine Fragen vom 23.01.2010. Inzwischen sind Neuigkeiten wie folgt entstanden:
Da Frau Maß mir bereits im Oktober 2009 mitgeteilt hat, daß mein Wahleinspruch unter WP 35/09 vom 08.10.2009 u.U. zwei Jahre benötigt, bis er bearbeitet wird, legte ich Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein und beantragte dort eine einstweilige Anordnung nach § 32(1) BVerfGG. Beide wurden mit Beschluß vom 05.05.2010 abgelehnt (vgl. http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/cs20100505_2bvc000109.html ). Raten Sie mal, wer „Herr F.“ ist.
Wenn Sie die Ablehnungsgründe sorgfältig lesen, werden Sie zwei Sachen feststellen können:
a) das Erfordernis der 100 Unterschriften ist entfallen, denn die Beschwerde ist nicht daran gescheitert, daß mir keine 100 Unterschriften beigetreten sind,
b) im übrigen entzieht das Gericht dem Bürger das Recht auf effektiven Rechtsschutz.
Denn das Gericht behauptet, daß auch dann, wenn die Wartezeiten zu lang sind, ich dennoch keine einstweilige Anordnung durchsetzen darf, weil in § 48 BVerfGG das Erfordernis, den Beschluß des Deutschen Bundestages abzuwarten, bestehen bleibt.
Das hat m.E. die Entrechtung der Wahlkompetenten zur Folge. Denn nach solchen Regeln kann keine Wahlprüfungsbeschwerde Erfolg haben. Der Wahlkompetente reicht eine Beschwerde ein, die aber erst nach Ablauf der Wahlperiode, worum es geht, entschieden. Die Entscheidung fällt immer gleich aus: „Die Wahlprüfungsbeschwerde ist erledigt“.
Diese Vorgehensweise verletzt m.E. auch das Volkssouveränitätsprinzip sowie das vom Grungesetz angegebene Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland so, daß man diesen Ausdruck von nun an mit Anführungszeichen versehen müßte, um den gegenwärtigen Sachverhalt korrekt wiederzugeben.
Was können Ihre Fraktion sowie der Wahlprüfungsausschuß tun, um diesem Mißstand entgegenzutreten?
Mit freundlichen Grüßen
Luis Fernández Vidaud
Sehr geehrter Herr Vidaud,
leider muss ich Ihnen mitteilen, dass das Bundesverfassungsgericht Ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entsprechend der gesetzlichen Vorschriften zu Recht abgelehnt hat. Nach ständiger Rechtssprechung können Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden. Für die Wahlen zum Deutschen Bundestag sehen Art. 41 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 48 BVerfGG, § 49 BWahlG und dem Wahlprüfungsgesetz die ausschließlich möglichen Rechtsbehelfe und Anfechtungsmöglichkeiten vor.
Ihre weitere Schlussfolgerung, dass mit der Ablehnung Ihrer Wahlprüfungsbeschwerde auch das Erfordernis der 100 Unterschriften für eine solche Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht entfallen sei, halte ich für nicht richtig. Dieses Kriterium ist nach wie vor im Paragrafen 48 des BVerfGG verankert, und mir ist kein Beschluss des Bundestages bekannt, der diese Bestimmung geändert hätte.
Unabhängig von Ihren Einlassungen möchte ich nochmals betonen, dass ein besserer Rechtsschutz vor dem Wahltermin und eine ernsthafte Prüfung der Wahleinsprüche ein Grundanliegen der LINKEN ist. So gilt es aus unserer Sicht z.B., bei der Entscheidung zur Zulassung von Parteien zur Wahl ein rechtsstaatliches Überprüfungsverfahren mit kurzen Fristen einzuführen.
Sie können zudem davon ausgehen, dass Ihr Wahleinspruch im Wahlprüfungsausschuss des Bundestages mit der gebotenen Gründlichkeit geprüft wird – ein Grund übrigens auch für die mitunter lange Prüfungsdauer. Denn wie auf anderen Politikfelder gehen auch hier die Auffassungen unter den Abgeordneten durchaus auseinander und werden kontrovers debattiert. Am Ende entscheiden aber auch hier Mehrheiten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dagmar Enkelmann