Was halten Sie vom Gendern der Amts- und Mediensprache? Wie spreche ich korrekt ein sich nichtbinär definierendes menschliches Wesen an? Sehr geehrtes Menschi?
Liebe Hjalmar Kreutzer,
vielen Dank, dass Sie als linguistisch interessierte Bürgerin mir diese Frage stellen. Dadurch, dass ich Germanistik im Master studiere, bin ich nur allzu befähigt, diese zu kompetent zu beantworten. Sie fühlen sich nun vermutlich unwohl damit, dass ich Sie im Femininum angesprochen habe. Ich könnte nun argumentieren, ich würde immer das generische Femininum nutzen und Männer und alle weiteren Identitäten seien mitgemeint. Das würde Sie allerdings vermutlich trotzdem nicht zufriedenstellen und Ihnen gerecht werden. Wieso sollten sich nun alle vom generischen Maskulinum angesprochen fühlen? Nur weil es schon immer so war und wir im Patriarchat leben? Damit sind wir einem Kern des Gendern angekommen: Das Überwinden reproduzierter Stereotype, die Vorurteile durch den Sprachgebrauch (Genderbias) manifestieren und das Sichtbarmachen aller Identitäten des tatsächlichen Lebens, und da gehören nun einmal alle dazu, nicht nur die, die sich in einem binären System identifizieren können. Es freut mich daher ebenfalls zu sehen, dass Sie verstanden haben, dass die Welt nicht binär ist und es Personen gibt, die sich als nicht-binär bezeichnen. Es gibt übrigens auch noch viel mehr (siehe: https://nibi.space/liste_nichtbin%C3%A4rer_identit%C3%A4ten). Dafür steht das + im Namen der LGBTQIA+ Community und wird durch das Sternchen * beim Gendern ausgedrückt, weshalb ich persönlich diese Art und Weise zu gendern bevorzuge und auch in meinen Texten anwende. Es gibt natürlich aber auch gute Gründe, die bspw. für den Doppelpunkt sprechen – ich bin da offen für Diskussionen, welche Art und Weise die beste ist. Wichtig ist jedoch, dass überhaupt alle Menschen angesprochen werden, und nicht nur sich als männlich definierende Personen. Deswegen plädiere ich auch dafür, in der Amts- und Mediensprache zu gendern, wobei es dabei natürlich vielfältige Möglichkeiten gibt. Die von Ihnen angesprochene Möglichkeit, mit „i“ bzw. „y“ zu gendern, steht dabei auch zur Debatte, hat im Diskurs bisher allerdings keine Mehrheiten. Gleiches gilt auch für die Idee, mit „ens“ zu gendern. Die Varianten mit Sternchen oder Doppelpunkt haben sich dagegen mehr durchgesetzt.
Wie man non-binarys am besten anspricht? Ich würde einfach „Hallo“ sagen. Das hat sich bewährt. Regional kann natürlich auch Servus, Moin oder Tach oder was auch immer verwendet werden. In förmlicheren Kontexten wäre "Guten Tag" eine gute Option. Im Anschluss daran bietet sich die Frage nach den Pronomen, die die andere Person bevorzugt, an. Danach ist klar, wie eine korrekte Ansprache zu erfolgen hat. Auf der Seite des Nichtbinär-Wiki sind übrigens mögliche Pronomen aufgeführt: https://nibi.space/pronomen
Ein Beispiel:
Person A: Hallo, freut mich Sie kennenzulernen!
Person B: Hallo, die Freude ist ganz meinerseits!
Person A: Ich bin übrigens Corvin und nutze die Pronomen er/ihm. Wie möchten Sie genannt werden und welche Pronomen nutzen Sie?
Person B: Danke, dass Sie fragen! Ich heiße Hjalmar und meine Pronomen sind … (hier könnten Sie dann antworten, so wie es Ihnen am besten passt und schon geht das Gespräch weiter und sogar der erste Icebreaker war dabei)
Im Übrigen ist auch der Stern * im mündlichen Sprachgebrauch aussprechbar. Dafür muss nur eine kurze Sprachpause vor dem "innen" eingelegt werden. Das stört meiner Meinung nach auch den Sprachfluss nicht, da es sich bei dieser Sprechpause um einen ganz gewöhnlich glottalen Verschlusslaut handelt, der im alltäglichen Sprachgebrauch sowieso regelmäßig artikuliert wird, wie beispielsweise beim Aufeinandertreffen zweier Vokale oder bei generell jeder Silbe, die mit einem Vokal beginnt. Das dafür passende IPA Zeichen ist ʔ.
Mit freundlichen Grüßen,
Corvin Drößler (er/ihm)