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Frage von Michael S. •

Frage an Cornelia Pieper von Michael S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Pieper,

erst verspätet bin ich auf Äußerungen von Ihnen gestoßen, die Sie bereits 2007 in einem "Bunte"(07/2007)-Interview getätigt haben und die teilweise immer noch in Ihrem Blog nachzulesen sind. Frau Pieper, ich bin wegen dieser Aussagen schlicht schockiert, ich halte sie für unfaßbar. Sie schreiben:

"Doch während die Frau sich ständig weiterentwickelt, heute alle Wesenszüge und Rollen in sich vereint, männliche und weibliche, und sich in allen Bereichen selbst verwirklichen kann, blieb der Mann auf seiner Entwicklungsstufe stehen. Als halbes Wesen."

Sehr geehrte Frau Pieper,
jede, aber auch wirklich JEDE Einteilung von Menschen in "bessere" und "schlechtere", "werte" und "unwerte", "ganze Wesen" und "halbe Wesen", weiterentwickelt" und "in der Entwicklung stehengeblieben" ist zutiefst menschenverachtend. Solche Wertungen verstoßen gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und gegen die Menschenrechte. Es gibt keine in der Entwicklung stehengebliebenen, halben Menschen!
Frau Pieper, ich bin ein Mensch; ich bin kein "halbes Wesen"; ich bin nicht in meiner "Entwicklung stehen geblieben"! Wie kommen Sie dazu, so etwas über mich und alle anderen Männer zu behaupten? Ich fühle mich durch Ihre abwertenden Äußerungen beleidigt und angegriffen.
Meine Fragen an Sie:
1. Halten Sie Männer wirklich für "halbe Wesen, die in ihrer Entwicklung stehen geblieben sind"? Es steht wortwörtlich immer noch so in Ihrem Blog!
2. Ist es mit Ihrem persönlichem Menschenbild und mit dem Menschenbild ihrer freiheitlich-liberalen Partei vereinbar, daß Sie Menschen nach Geschlecht einteilen in "ganze Wesen" und "halbe Wesen", in "ständig weiterentwickelt" und "in der Entwicklung stehen geblieben"?

Mit freundlichen Grüßen

Michael Schreiber

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schreiber,

Sie hatten mich wegen eines Artikels in der Zeitschrift BUNTE angeschrieben, der jetzt schon mehr als ein Jahr zurückliegt. Trotzdem weiß ich noch, was ich in diesem Interview gesagt habe und warum. Ich bitte wirklich darum, meine Aussagen auch im Kontext des Themas zu sehen, um das es seinerzeit ging. Sonst ich es nicht möglich, etwas zu hinterfragen oder zu befürworten. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin in keiner Weise für irgendeine Benachteiligung von Männern gegenüber Frauen oder andersherum und erst recht sehe ich Männer nicht grundsätzlich als halbe Wesen im Sinne einer „halben Portion“ an. Nie war es meine Absicht, den grundgesetzlich verbrieften Gleichheitsgrundsatz in Frage zu stellen. Im Gegenteil: In dem Interview in dem es vorwiegend um das Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau und Erziehungsfragen ging, habe ich ihn gerade einfordern wollen. Jedoch sehe ich diese Frage nicht als „Einbahnstraße“, sondern glaube, dass Frauen UND Männer aufeinander zugehen müssen!

In der Tat wird insbesondere von Erziehungswissenschaftlern und Bildungspolitikern immer wieder angemahnt, dass die Emanzipation der Frau wohl am männlichen Geschlecht vorbeigeht. So geht es beispielsweise darum, dass Jungen einen immer größeren Leistungsabfall in der Schule haben und Mädchen die Leistungsstärkeren sind. Ich weiß, dass eine Studie der bayerischen Wirtschaft, die von Bildungsexperten wie Professor Lenzen, der Präsident der Freie Universität Berlin, in Auftrag gegeben wurde, sich im kommenden Jahr mit besseren Chancen für Jungen an Schulen befassen wird. Das ist auch mir als Bildungspolitikerin ein Anliegen.

Ich halte es weiterhin für ein Problem, dass nur fünf Prozent der Kindergärtner Männer sind und es nur 15 Prozent männliche Lehrer (bundesweiter Mittelwert) an Grundschulen gibt. Frauen haben ihren Wunsch umgesetzt, Kinder und Karriere vereinbaren zu können. Männer interessieren sich immer noch zu wenig für Kindererziehung und Familienarbeit. Sie nutzen, wenn durch das Elterngeld auch steigend, weniger die Elternzeit als Frauen. Das ist ein Defizit, das nicht zu mehr Gleichberechtigung führt. Männer sind in der Erziehung ihrer Kinder benachteiligt, weil viel zu viele es immer noch nicht als wichtig erachten, sich hier zu engagieren. Das ist aus meiner Sicht falsch und führt zu einer Benachteiligung von Männern. Wohlgemerkt: Ich spreche nicht von allen Männern, das wäre auch unredlich. Mir ist bewusst, dass es auch emanzipierte Männer gibt, auf die dies alles nicht zutrifft. So habe ich es, im Zusammenhang betrachtet, auch formuliert. Ich denke, es ist im Sinne zukünftiger Jungen- und Männergenerationen, wenn wir auf der einen Seite dahin kommen im Bereich Bildung und Erziehung, etwas zu ändern und auf der anderen Seite eben auch das Geschlechterverhältnis gleichberechtigt zu normalisieren.

Ich hoffe, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben und wünsche Ihnen bereits heute ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für 2009!

Mit freundlichen Grüßen

Ihre
Cornelia Pieper