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Frage von Thomas J. •

Frage an Cornelia Pieper von Thomas J. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Pieper,

wie der Presse zu entnehmen ist, wird der Papst Benedikt XVI. im September 2011 Deutschland einen Staatsbesuch abstatten. Geplant ist auch eine Rede im Bundestag.

Sehen Sie den Besuch und die Rede im Bundestag von Herrn Ratzinger als die eines Papstes oder die eines Staatsoberhauptes an?

Welche Inhalte versprechen Sie sich von einer Rede Herrn Ratzingers?

Inwieweit sehen Sie durch den Bundestag die staatliche Neutralität bezüglich der Religionen und Weltanschauungen bei dieser Rede von vornherein gewährleistet? Wie gedenken Sie diese durchzusetzen, um Verstöße, wie z.B. Missionierungsversuche zu vermeiden?

Inwiefern werden solche Positionen von Herrn Ratzinger in seiner Funktion als Kirchenoberhaupt und als Staatsoberhaupt, die unserem demokratischen Wertekonsens, widersprechen, von Ihnen, Ihrer Fraktion und Ihrer Partei in der Vorbereitung dieses Besuches und der Abwägung der Möglichkeit einer Rede mit einbezogen?

Als Beispiel führe ich die Positionen von Herrn Ratzinger zum Thema Gleichberechtigung der Geschlechter, Gleichberechtigung der Homosexualität, Religionsfreiheit und Achtung von nichtreligiösen Weltanschauungen, demokratische Grundprinzipien im Staatswesen, Freiheit von Wissenschaft und Forschung, Pressefreiheit, die Anerkennung einer offenen, pluralistischen Gesellschaft, die strafrechtliche Verfolgung von sexuellem Missbrauch und von Holocaustleugnern.

Der Kürze einer Anfrage angemessen, füge ich jetzt keine erforderliche Liste von Belegen an, bin natürlich bereit, diese zu liefern. Ich verweise gern auf das Buch von Alan Posener „Benedikts Kreuzzug. Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft“ Ullstein, 2009.

Teilen Sie die bestehende Kritik an einzelnen oder allen der genannten Positionen von Herrn Ratzinger zu den oben genannten Themen?

Wie gedenken Sie eine mögliche Kritik an Positionen von Herrn Ratzinger anzubringen?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Jeschner

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Jeschner,

die Einladung an Papst Benedikt XVI den Bundestag zu besuchen und eine Ansprache im Plenum zu halten, basiert auf Entscheidung des Ältestenrates des Deutschen Bundestages, die mit überwiegender Mehrheit - über Parteiengrenzen hinaus - getroffen wurde. In diesem konkreten Fall wurde genauso verfahren, wie auch bei anderen ausländischen Staatsoberhäuptern.

Papst Benedikt XVI. ist daher in seinem Rederecht nicht anders zu beurteilen als andere Staats- und Regierungschefs, die in der Vergangenheit bereits im Plenum des Deutschen Bundestages gesprochen haben. Dabei spielen die Vorbehalte gegen die katholische Kirche genauso wenig eine Rolle, wie die Tatsache, dass der Papst für viele Menschen - auch in Deutschland - eine moralische Instanz ist.

Im Übrigen ist keine Gefährdung der Trennung von Staat und Kirche durch die Rede von Papst Benedikt XVI erkennbar, weil kein anderer Religionsanführer zugleich völkerrechtlich anerkanntes Staatsoberhaupt ist.

Wir Liberale - und das ist Konsens in der christlich-liberalen Koalition - sind an einem offenen und ehrlichen Dialog des Staates mit den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und nicht an ihrer Ausgrenzung und Verbannung aus dem Raum des Öffentlichen interessiert. Dies setzt die Bereitschaft zum Zuhören voraus. Die Rede des Papstes bietet eine solche Gelegenheit zum Zuhören. Ich bin mir sicher, dass sich die kritische deutsche Öffentlichkeit mit jeder Äußerung des Römischen Bischofs genau auseinandersetzen wird. Abgesehen davon, dass Benedikt XVI geistiger Anführer von mehr als 1,2 Milliarden Katholiken ist, gebührt ihm Respekt als Staatsoberhaupt eines völkerrechtlich anerkannten Staates. Viele Abgeordnetenkollegen empfinden es als eine Ehre für unser Parlament, wenn der deutsche Papst sein Heimatland besucht und vor dem Plenum sprechen will.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. h.c. Cornelia Pieper, MdB