Frage an Cornelia Behm von Mario B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Was würden Sie tun, damit "Hartz IV" - Empfänger wieder in den Arbeitsprozess gelangen können (außer 1 Euro Job`s) ?!
Sehr geehrter Herr Batz,
zentrales Problem bei der Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt ist neben der Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt die zugeschriebene oder tatsächliche Dequalifizierung aufgrund der langen Arbeitslosigkeit. Unabhängig davon, ob ein Langzeitarbeitsloser tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, bestimmte qualifizierte Tätigkeiten auszuüben, wird ihm dies von potenziellen Arbeitgeben oftmals nicht mehr zugetraut. Die Dequalifizierungsspirale setzt in den Augen vieler Chefs schneller ein als sich viele klar machen.
Dies zeigt zum einen, dass es für die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt in der Regel besser ist, eine Arbeit auszuüben, auch wenn sie mit geringeren Qualifikationsanforderungen verbunden ist, als gar nicht zu arbeiten. Dies zeigt zum Zweiten, wie wichtig es ist, Langzeitarbeitslose durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik und durch Qualifizierungsmaßnahmen wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Aus diesen Gründen ist es so verantwortungslos, dass die FDP diese aktive Arbeitsmarktpolitik der Bundesagentur für Arbeit komplett einstellen will. Mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird es weiter eine aktive Arbeitsmarktpolitik geben.
In den letzten Jahren gab es verschiedene Ansätze für eine solche aktive Arbeitsmarktpolitik, die unterschiedlichen Erfolg hatten. Es ist sicherlich noch nicht der Zeitpunkt, um die mit den Hartz-Gesetzen eingeführten Instrumente abschließend bewerten zu können. Es deutet sich aber an, dass die Ich-AGs als Heranführung an eine Selbstständigkeit als Erfolg zu werten sind. Bei den 1-Euro-Jobs ist mehr Skepsis angebracht. Es wäre sinnvoller, wenn die Beschäftigten ein einziges Gesamtgehalt von ihren Arbeitgeber bekommen würden, anstatt nur einen Zuverdienst neben dem ALG II und der Mietkostenerstattung als Sozialleistung. Ein Instrument wie die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) ist daher aus meiner Sicht sinnvoller. Volkswirtschaftlich ist der Gesamtaufwand etwa gleichwertig. Allerdings sind ABM sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer attraktiver, denn sie sind nicht nur sozialversicherungspflichtig, sondern sie können für zwei bis drei Jahre angelegt werden, so dass das Wertschöpfungspotenzial deutlich höher ist. Daher sehe ich es als bedenklich an, dass verstärkt auf Mehraufwandsentschädigungsjobs statt auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) orientiert wird.
Neben den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik bedarf es zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt eines umfassenden Paketes arbeitsmarkt-, wirtschafts-, finanz-, bildungs- und innovationspolitischer Maßnahmen. Dies zu erläutern würde den Rahmen hier sprengen, deswegen nur kurz die wesentlichen Stichpunkte.
- Es werden geschätzte 15 % des BSP zusätzlich schwarz erwirtschaftet.
Dies bedeutet bei 10 % Arbeitslosigkeit: Würde man die Schwarzarbeit in
sozialversicherte Arbeitsplätze umwandeln, dann gäbe es so gut wie keine
Arbeitslosigkeit in Deutschland mehr. Ziel der Politik muss es sein, aus
Schwarzarbeit sozialversicherte Arbeitsplätze zu machen.
- Wir müssen die Finanzierung unseres Sozialstaats umstrukturieren. Neben einer gerechteren Verteilung der Beiträge zur Sozialversicherung durch die Bürgerversicherung (in Kranken- und Rentenversicherung) müssen wir in Zukunft die soziale Sicherung stärker über Steuern finanzieren.
- Geringqualifizierte sind deutlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Mit dem Grad der Qualifikation sinkt die Arbeitslosigkeit. Wir brauchen daher eine Bildungsoffensive auf allen Ebenen: frühkindliche Erziehung in Kindertagesstätten, mehr Abiturienten, mehr Studenten, mehr Weiterbildung und außerbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose. Wir wollen daher die Ausgaben für Bildung und Forschung weiter erhöhen. Höher Qualifizierte haben auch eher Chancen, sich selbstständig zu machen und Unternehmen zu gründen.
- Gerade bei Geringqualifizierten sind die Lohnnebenkosten ein Beschäftigungshindernis. Um für sie Arbeitsplätze schaffen zu können, müssen wir bei den unteren Einkommen Lohnnebenkosten gezielt reduzieren und dabei das Niveau der sozialen Sicherung für die Beschäftigten erhalten. Deshalb wollen wir Grüne einen Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen bei kleinen Einkommen nach dem Progressiv-Modell einführen.
- Deutschland hat Aufholbedarf in verschiedenen Wirtschaftssektoren. Dazu zählen z.B. personen- und haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheitswirtschaft, neue Wohnformen und veränderte Bedarfe von Senioren, nachhaltiger Tourismus. Aus Betätigungsfeldern kann nur bezahlte Arbeit werden, wenn neue Unternehmen mit Innovationen neue Märkte und Marktlücken erschießen. Hierzu brauchen wir einerseits mehr Willen zur Innovation und Mut zum Risiko durch bestehende aber auch durch neue Unternehmer.
- Insgesamt kann Deutschland als Hochlohnland auf dem Weltmarkt nur dann mithalten, wenn wir mit unseren Produkten Vorreiter sind. Wenn wir nur produzieren, was alle produzieren können, konkurrieren wir mit den Niedriglohnländern. Deswegen müssen Politik und Wirtschaft auf Innovationen setzen. Besonders wichtig ist dies bei erneuerbaren Energien, nachwachsenden Rohstoffen und Umwelt- und Energiespartechnologien. Wir wollen die Einsparung von Öl und Material fördern und Deutschland zum führenden Markt für diese Zukunftstechnologien machen.
Mit freundlichen Grüßen,
Cornelia Behm