Frage an Cornelia Behm von andrea b. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Behm,
bei der Abstimmung zum sogenannten „Zugangserschwerungsgesetz“ bzgl. Kinderpornographie im Internet haben Sie sich der Stimme enthalten.
Die diesbezügliche Persönliche Erklärung nach §31 GOBT der 15 Grünen Abgeordneten dazu ist mir bereits bekannt, beantwortet aber nicht mein grundsätzliches Problem mit Ihrem Verhalten, das da lautet:
Wann ist ein Thema dringlich genug, um mit einem klaren NEIN beantwortet zu werden?
Ihr Engagement bzgl. KiPo ist mehr als löblich, aber das verabschiedete Gesetz beendet die grundgesetzlich verbürgte Gewaltenteilung und öffnet der Zensur Tür und Tor. Hingegen wurde von mehreren kompetenten Seiten wiederholt verdeutlicht, dass das Z.-Gesetz nicht nur kein einziges Kind schützt sondern im Gegenteil die Täter/Seitenbetreiber warnt. Alle Bedenken, die Sie in der Persönlichen Erklärung formulieren, sind durch Expertenaussagen mehrfach widerlegt.
Sie lassen nun also ein Gesetz passieren, dass keinerlei Nutzen bringt, im Gegenzug aber die Rechte eines jeden Internetnutzers empfindlich einschränkt und ihn potentiell kriminalisiert. Mit Ihrer Ein-Punkt-ansonsten-egal-Position der Enthaltung nehmen Sie solche Kollateralschäden billigend in Kauf.
Darum noch einmal meine - generelle -Frage zur Urteilsfindung:
Wie dramatisch muß sich ein Szenario darstellen, damit Sie bei einer Güterabwägung wirklich klar Stellung beziehen und deutlich mit NEIN abstimmen?
Sehr geehrte Frau Baranski,
in Ihrer Anfrage vom 19. Juni 2009 haben Sie nach einer Begründung für mein Abstimmungsverhalten bei dem Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen Internet. Soweit Ihnen die Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, die ich unterzeichnet habe und die auf meiner Homepage einzusehen ist, als Begründung nicht ausreicht, will ich hier gern nochmals Stellung beziehen.
Als erstes lassen Sie mich aber bitte festhalten, dass eine Enthaltung keine Zustimmung bedeutet und auch nicht in eine solche umgedeutet werden sollte. Ich habe mich relativ kurzfristig zu einer Enthaltung entschlossen, ursprünglich wollte ich das Gesetz ablehnen. Ich hatte - und habe sie noch - Zweifel, dass dieses Gesetz in der Lage ist, einen nennenswerten Beitrag zur Eindämmung der Kinderpornografie zu leisten. Dabei habe ich eine Karikatur (wohl aus der Berliner Zeitung) vor Augen, die eine Kamera zeigt, mit der ein kinderpornografischer Film gedreht wird, während Frau von der Leyen das Stromkabel mit einer Schere durchtrennt. Dieses Bild zeigt sehr pointiert die Schwäche des Gesetzes.
Allerdings ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Was verboten ist, darf dort auch nicht zu sehen sein. Und dass Kinderpornografie aus sehr guten Gründen verboten ist, wird wohl keiner der Internetnutzer, die mein Abstimmungsverhalten und das meiner KollegInnen kritisiert haben, bezweifeln. Ich gebe jedoch zu, dass ich durchaus auch Zweifel hatte, ob mit diesem Gesetz nicht unzulässig in die Rechte der Internetnutzer eingegriffen wird. Auf Grund des Engagements der bündnisgrünen Bundestagsfraktion wurde der Gesetzentwurf in diesem Punkt jedoch noch entscheidend entschärft und damit im Interesse der Freiheitsrechte verbessert. Allerdings gehen die Verbesserungen nicht so weit, dass mir eine Zustimmung möglich gewesen wäre. Das betrifft insbesondere die Umsetzung durch das BKA und die Kontrolle des BKA durch den Bundesdatenschutzbeauftragten, der das selbst - und ganz sicher nicht unbegründet - kritisiert.
Trotz meiner Zweifel und Bedenken halte ich meine Enthaltung zu diesem Gesetz nach wie vor für richtig. Denn neben viel und heftiger Kritik gab es ebensoviel Zustimmung. Diese Zustimmung kam aus berufenem Munde, nämlich von Personengruppen, die täglich mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern und den meist für ein ganzes Menschenleben daraus erwachsenden Folgen zu tun haben. Und die händeringend nach Möglichkeiten suchen, diesem grausamen Geschehen ein Ende zu machen. Eine Ablehnung des Gesetzes wäre aus meiner Sicht ein Schlag ins Gesicht derer gewesen, die sich für den Schutz der Kinder einsetzen. Ich will meine Enthaltung auch als ein Signal verstanden wissen, dass ich die Schutzrechte nicht den Freiheitsrechten unterordne.
Uns allen in der bündnisgrünen Fraktion ist bewusst, dass die Diskussion um geeignete Strategien zur Bekämpfung der Kinderpornografie weiter gehen muss. Entsprechende Gespräche fanden und finden weiter statt. Die Bekämpfung im Internet ist dabei nur ein Baustein. Auch der nächste Deutsche Bundestag wird sich weiter mit dieser Frage befassen müssen. Und Sie können sicher sein, wir werden als grüne Bundestagsfraktion dabei die Freiheitsrechte verteidigen, wie wir es auch bisher getan haben.
Ihre Cornelia Behm