Wie beurteilen Sie die Vorschläge ostdeutscher CDU-Politiker zur Gewährleistung kurzfristiger Versorgungssicherheit? Welche regenerativen Energieträger liessen sich kurzfristig dafür einsetzen?
Die Frage bezieht sich auf den offen Brief der wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktionen der ostdeutschen Bundesländer [1].
Sehr geehrter Herr M.,
die Vorschläge der wirtschaftspolitischen Sprecher aus den ostdeutschen Landtagen sind m.E. nicht geeignet. Und das aus mehreren Gründen.
1. stellen sie die Sanktionen gegen Russland grundsätzlich in Frage, sowohl im Begleittext, als auch in den Forderungen 1 und 5. Das halte ich für unverantwortlich, da es hier nicht nur um Wirtschaft, sondern um die weltweite Sicherheitsarchitektur geht. Wenn sich Putins Vorgehen von Grenzverschiebungen durch militärische Gewalt lohnt und diese erfolgreich ist, werden wir weltweit wieder ein Aufflammen vieler Konflikte sehen. Russland muss an dieser Stelle Einhalt geboten werden. Wenn wir ehrlich sind, haben wir in en letzten Jahren schon zu wenig reagiert. Trotz Russlands Agieren in der Ukraine und in Georgien und gegen die expliziten Warnungen nahezu all unserer europäischen Partner und in Deutschland auch meiner Partei, wurde die Gaspipeline Nordstream 2 vorangetrieben.
2. Einige der Vorschläge laufen ins Leere, da sie zum Teil sogar umgesetzt werden, andere jedoch in der akuten Situation gar nicht helfen würden, da sie zu lange Vorlaufzeiten hätten.
3. Arbeitet der Brief mit dem Vorwurf der ideologischen Energiepolitik durch Robert Habeck, dabei zeigt er m.E. eindrücklich, dass er wenig ideologisch vorgeht, sondern besonnen: Verlängerung der Atomkraftwerke solange die Brennstäbe reichen, Verstärkte Nutzung der Kohle um Gas im Strommarkt zu sparen, um es für Industrie und Heizen zur Verfügung zu haben usw. Im Gegenteil ist es ja oft so, dass die grüne Energiepolitik nicht ideologisch ist, sondern oft widergibt, was inzwischen wissenschaftlicher Stand ist. So gibt der Stresstest deutlich wieder, dass die Atomkraftwerke keinen Beitrag über April 2023 hinaus leisten können. Außerdem müsste man wieder Brennstäbe in Russland bestellen, was wieder zu Punkt 1 führt.
4. Ich glaube, dass die Bundesregierung insgesamt die richtigen Dinge tut:
A Kurzfristig verstärkte Nutzung der Kohle, um Gas im Strommarkt zu sparen. Die dadurch erhöhten Treibhausgasemissionen müssen dann natürlich kompensiert werden, wenn die Gasversorgung wieder steht, was den Kohleausstieg nach vorne zieht.
B Forcierung der Elektromobilität, um den Bedarf an Erdöl weiter zu reduzieren.
C Aufbau neuer Lieferbeziehungen für Gas und Öl, ohne sich wieder so stark abhängig von einem einzigen Land zu machen.
D Ausbau der Erneuerbaren Energien, Speichern und Flexibilitätsmärkten, Erhöhung der Energieeffizienz und energetischer Sanierung etc.
E Ganz wichtig ist natürlich auch die soziale Flankierung der entstehenden Härten. Wir Bündnisgrüne hätten am liebsten ein monatliches Energiegeld. Leider steht die Infrastruktur dafür noch nicht und es muss mit Behelfsinstrumenten wie der Energiepreispauschale, den Zahlungen für Rentner*innen, Studierenden, Sozialtransferempfänger*innen und der Gaspreisbremse etc. gearbeitet werden. Die Treffischerheit bzw. die soziale Ausgewogenheit ist dabei leider nicht immer gegeben. Hier müssen im Moment schwieriege Abwägungen bzw. Kompromisse zwischen der nötigen Geschwindigkeit (also, dass die Hilfen schnell ankommen) und der sozialen Ausgewogenheit gefunden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Rostock