Was veranlasst und begründet Ihren Paradigmenwechsel im Tierschutz, jetzt vor den Wahlen, ohne Abstimmung mit Koalitionspartnern und Betroffenen?
Sehr geehrter Herr Rostock, im Bund diskutieren die Grünen in der gebotenen Sachlichkeit und mit allen Beteiligten über machbare Wegen zur Reduktion von Tierversuchen. In Brandenburg bestimmen dagegen Verbote und Einschränkungen das behördliche Vorgehen (Nachweise: 2347-06-2023-27/28/31/33/37/40/44/51-G). Die Ministerin, Frau Ursula Nonnemacher, die verantwortliche Staatssekretärin, Frau Dr. Antje Töpfer und die Behörde lehnen bisher alle Versuche ab, den dringend benötigten Dialog zu den Folgen für Forschung und Gesundheitswirtschaft aufzunehmen. Betroffen sind Tierversuche zur Prüfung und Zulassung von neuartigen Medizinprodukten, solche, die unmittelbar der Heilung von schwer verletzten oder erkrankten Patienten dienen. Betroffen sind Tierversuche zum Zweck der ärztlichen Fortbildung, solche, die von Ärzten und deren Assistenzpersonal langjährig mit Erfolg und nachweislichem Nutzen für die Behandlung ihrer Patienten in Anspruch genommen wurden. Diese entfallen nun ersatzlos.
Sehr geehrter Herr Dr. Z.,
Vielen Dank für Ihre Frage!
Ich musste mich erstmal schlau machen und bitte um Entschuldigung für die späte Antwort!
Im Grundsatz ist es folgendermaßen: Die Durchführung von Versuchen an Wirbeltieren und Kopffüßlern ist auf Bundesebene gesetzlich geregelt. Diese Versuche sind genehmigungspflichtig. Die Genehmigung richtet sich nach den Maßgaben des Tierschutzgesetztes und der Tierschutz-Versuchstierverordnung. Bei jeder Entscheidung über einen Tierversuchsantrag handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die von der zuständigen Behörde nach Maßgabe der geltenden rechtlichen Bestimmungen getroffen wird. Die zuständige Behörde in Brandenburg ist das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit. Die Tierversuchskommission berät das LAVG bei den finalen Entscheidungen. 2022 wurden zwei Vorhaben abgelehnt und in 2023 ebenso zwei, wobei diese noch nicht schlussendlich entschieden sind.
Außerdem gab es eine Anpassung der Gesetzeslage. Nach Änderung der Tierschutz-Versuchstierverordnung unterliegen Versuche zur Aus-, Fort- und Weiterbildung seit Dezember 2021 nun dem vollen Genehmigungsverfahren, statt wie zuvor lediglich einer Anzeigepflicht. Die Übergangsfrist zu bereits genehmigten bzw. angezeigten Versuchsvorhaben endete im Dezember 2023 und fällt damit in die vergangenen vier Monate. Diese Anpassung war aufgrund eines EU-Verletzungsverfahren notwendig geworden, in dem eine unzureichende Umsetzung der Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere beanstandet worden war. Die Änderungen dienen daher in erster Linie zur Anpassung an geltendes EU-Recht und stellen in der Tat eine Verschärfung der Rechtslage dar.
Eine gesetzliche Änderung auf Landesebene gab es im Hochschulgesetz: Es gibt nun ein Recht auf ein tierversuchsfreies Studium und Tierversuche sind soweit wie möglich in der Lehre und Forschung zu reduzieren. Dies war ein Ziel aus dem Koalitionvertrag und ist in drei Lesungen und in zwei Ausschüssen des Landtages diskutiert und beschlossen worden.
Ich hoffe, ich konnte damit die Hintergründe der Änderung rechtlicher Rahmenbedingungen aufklären. Wie das dann wiederum umgesetzt wird, unterliegt den handelnden Behörden. Diese sollen nach Rechtslage und nicht politisch entscheiden, sodass dort mein Einfluss als Abgeordneter im Sinne der Gewaltenteilung endet.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Rostock