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Clemens Rostock
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Frage von H. V. •

Frage an Clemens Rostock von H. V. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Was halten Sie von der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau oder sehr geehrter Herr V.,

Vielen Dank für Ihre Frage!

Ich halte sehr viel von der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Ich würde folgende Ziele mit dem Sozialsystem verfolgen: Menschen ohne Einkommen soll eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden, die Berechnungen sollen transparent für die Gesellschaft sein, Menschen sollen Anreize bekommen wieder eigenes Einkommen zu generieren, das Ganze soll mit möglichst geringem Aufwand für Staat und Gesellschaft erreicht werden.

Unser jetziges System schafft das ganz und gar nicht. Es ist ineffektiv weil viele Menschen zu wenig bekommen, um an der Gesellschaft teilhaben zu können. Sie leben in Armut, viele Kinder wachsen in Armut auf.
Die Sanktionen und die Berechnungen sind ziemlich intransparent und hängen oft vom Gegenüber im Amt ab. Die Sanktionen sind darüber hinaus auch noch unwürdig, da ein Existenzminimum dem Namen nach bereits ein Minimum ist, das nicht unterschritten werden darf.
Bei den Zuverdienstregeln ist es statt Aktivierungshilfe eher eine Stilllegungsprämie. Während jemand mit einem Einkommen von 100.000€ davon etwa ein gutes Drittel abgeben muss (wenn er/sie verheiratet ist und der Partner weniger verdient, sogar noch weniger), soll ein Hartz IV-Bezieher von seinen ersten 400€ Zuverdienst 60% abgeben. Aus dieser Denke könnte uns ein Grundeinkommen befreien.
Zudem gibt es eine Vielzahl an Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II, BAföG, Wohngeld, Elterngeld usw. die alle eigene Berechnungs- und Anspruchsgrundlagen haben. Das Ganze bedeutet sozusagen viel Aufwand für Staat und Gesellschaft ohne am Ende ein befriedigendes Ergebnis zu erhalten.

In der Idee des Grundeinkommens steckt das Potential diese Probleme zu lösen. Auch andere Probleme wie versteckte Armut (Menschen, die Anspruch hätten, aber aus Scham keine Leistung beantragen) würden mit dem Grundeinkommen gelöst. Allerdings gehöre ich nicht zu denen, die glauben alle Probleme unserer Wirtschafts- und Arbeitsordnung mit einem Grundeinkommen lösen zu können. Das Problem in der Diskussion ist, dass es nicht DAS Grundeinkommen gibt, sondern sehr viele verschiedene Modelle. Ich bin für ein Grundeinkommen das vor Armut schützt und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, worauf ein Rechtsanspruch besteht und welches ohne Bedürftigkeitsprüfung oder einem Zwang zur Arbeit o.ä. besteht. Ich engagiere mich auch im Grünen Netzwerk Grundeinkommen: gruenes-grundeinkommen.de/

Wir Bündnisgrünen sind zwar (noch) nicht explizit für ein Grundeinkommen. Einzelne Landesverbände wie Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein sowie die Grüne Jugend sind aber bereits offiziell für ein Grundeinkommen. Auch die Programmatik der Bundespartei hat viele Bausteine der Grundeinkommens-Idee aufgegriffen. So wollen wir die Hartz4-Sanktionen abschaffen, sind für eine Garantierente, für eine Kindergrundsicherung, für ein elternunabhängiges BAföG und wollen die Sozialversicherungen jeweils in eine Bürger*innenversicherung für alle Einkommensarten und Berufsgruppen überführen.

Man muss das im Übrigen nicht immer gleich so revolutionär denken. Letztlich müssen wir Hartz IV doch nur erhöhen (wie wir es bereits fordern), die Sanktionen streichen, um es bedingungslos zu machen (was wir bereits fordern), Die unzähligen steuerfinanzierten Sozialtransfers zusammenführen (wie wir das mit Sozial- und Arbeitslosenhilfe bereits getan haben) und die Zuverdinstregeln so ändern, dass man nicht wie jetzt bei 400€ Zuverdienst 240€ davon abgeben muss usw. Dann hätten wir bereits ein Grundeinkommen. Letztlich soll es auch mit einem Grundeinkommen so bleiben, dass die ohne Einkommen im Saldo was vom Staat bekommen (man kann dies auch als negative Einkommensteuer bezeichnen) und die mit hohem Einkommen im Saldo Steuern zahlen.

Ein Rechenbeispiel: Stellen Sie sich einen Einkommensteuertarif vor, der
folgendermaßen aussieht:
-900€ + 0,5 * Bruttoeinkommen. Die Sozialversicherungen wären in dem Abschlag von 50% auf das Bruttoeinkommen bereits enthalten. Bei keinem eigenen Einkommen erhielte man 900 € negative Einkommensteuer. Bei einem eigenen Einkommen von 900€ erhielte man noch eine negative Einkommensteuer von 450€ und hätte insgesamt 1.350€.
Bei einem eigenen Einkommen von 1.800€ zahlte man weder Einkommensteuer
noch erhielte man welche.
Bei einem eigenen Einkommen von 5.000€ zahlte man 1.600€ Einkommensteuer
und hätte noch 3.400€
Bei einem eigenen Einkommen von 10.000€ zahlte man 4.100€
Einkommensteuer und hätte noch 5.900€.
Bei einem eigenen Einkommen von 100.000€ zahlte man 49.100€
Einkommensteuer und hätte noch 50.900€. Usw.
Dieses Rechenbeispiel verdeutlich wie einfach ein Grundeinkommen in die Einkommensteuer integrierbar wäre, dass sich Zuverdienst auch im niedrigen Bereich lohnt, dass es finanzierbar ist und das obwohl auch ein Einkommensmillionär auf dem Papier das Grundeinkommen von 900 Euro bekäme.

Aus Grüner Sicht müsste man noch einen Schritt weiter gehen und das Ganze mit der ökologischen Steuerreform kombinieren. Dann würde man statt Einkommen (und damit auch Arbeit) besser Umweltverbrauch besteuern. Denn die Unternehmen sollen ja nicht an Arbeitsplätzen sparen, sondern an z.B. Energie und Rohstoffen. Somit würde das Grundeinkommen damit finanziert, dass Energie und Rohstoffe besteuert würden. Somit fände auch eine Umverteilung zwischen Vielverbrauchern und Wenigverbrauchern statt.

Im Übrigen: Wenn Sie eine Gruppe von 20 Leuten zusammenstellen, die an dieser Idee interessiert sind, komme ich gerne vorbei und erläutere das noch einmal so, dass ich bestimmte Dinge grafisch darstellen und auch auf Zwischenfragen eingehen kann. Melden Sie sich in diesem Falle einfach unter Clemens.Rostock@gruene-brandenburg.de Das gilt natürlich auch für alle anderen, die diese Antwort lesen!

Ich hoffe ich konnte meine Gedanken rund um die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens halbwegs erläutern und deutlich machen über welchen Weg ich weiter über das Thema informieren kann.

Mit freundlichen Grüßen
Clemens Rostock