Frage an Claudia Winterstein von Dirk G. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Winterstein,
nach dem Scheitern des EU-Vertrags von Lissabon ist die Ratifizierung des Vertrags und damit die Weiterentwicklung Europas faktisch zum Stillstand gekommen. Das "NO" der Iren gilt vielen nicht zuletzt als Ablehnung des europäischen Sozialmodells. Deshalb interessiert mich Ihre Meinung zu dem alternativen Sozialsystem des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE).
Wie Sie vielleicht wissen sieht dieses Konzept vor, JEDEM Menschen ohne Bedarfsprüfung und Erwartung einer Gegenleistung eine Summe (je nach Modell) zwischen 600-1.300€ monatlich zur Verfügung zu stellen. Als Gegenmodell zur "Zwangsarbeit für Hartz-IV-Empfänger", die der Wirtschaftsminister Glos vorschlägt, setzt das BGE auf das Recht eines jeden Menschen, "NEIN" zu unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu sagen.
Keinesfalls soll durch ein BGE die Bereitschaft zur Erwerbsarbeit verringert oder diese gar abgeschafft werden. Wer mehr Geld benötigt, soll auch weiterhin arbeiten können und so sein Einkommen erhöhen. Es geht also nicht um "Gleichmacherei" oder Kommunismus, sondern um ein Recht auf ausreichendes Einkommen, dass sich aus dem Recht auf ein würdevolles Leben ableitet.
Ohne hier in eine detaillierte Debatte über Vor- und Nachteile zu verfallen möchte ich von Ihnen wissen:
* Wie steht ihre Partei in Niedersachsen im Allgemeinen und Sie im speziellen zu der Idee des BGEs?
* Wie schätzen sie die Möglichkeit ein, mit diesem Konzept ein sozialeres und wirtschaftlich stabileres (durch Stärkung des Binnenmarktes) Europa auf den Weg zu bringen?
* Welche Alternativen bieten sich Ihrer Meinung nach zum status quo und zum BGE? Der Vorschlag von Herrn Glos "fragwürdiges Existenzminimum nur gegen Arbeit"?
Für weitere Informationen besuchen Sie bitte die folgenden Internetseiten:
www.buergerinitiative-grundeinkommen.de
www.unternimm-die-zu kunft.de
[lokale Netzwerk-BGE-Seite raussuchen]
mit freundlichen Grüßen
Dirk Gebauer
Sehr geehrter Herr Gebauer,
ich finde die Idee des BGE in der Theorie nicht uninteressant, halte es aber realistisch für nicht umsetzbar.
Im Hinblick auf Alternativen zum Status Quo unseres Sozialsystems bin ich von der Wirksamkeit des "Liberalen Bürgergeldes" überzeugt. Dieses setzt an zwei Enden an: Es aktiviert die Empfänger und reduziert gleichzeitig die schädliche Bürokratie im Sozialsystem.
In Deutschland gibt es derzeit eine Fülle von steuerfinanzierten Sozialleistungen, die von den verschiedensten Stellen ausbezahlt werden. Das Bürgergeld ist nicht mehr und nicht weniger als die Bündelung dieser Sozialleistungen im Finanzamt zu einem Universaltransfer, der mit der Einkommensbesteuerung zu einem Steuer-Transfersystem aus einem Guss verbunden wird. Dadurch wird ausgeschlossen, dass staatliche Hilfen zu Unrecht mehrfach in Anspruch genommen werden können. Hilfe bekommen nicht mehr diejenigen, die sich im Sozialdickicht am besten auskennen, sondern diejenigen, die Hilfe wirklich brauchen. Das Bürgergeld schützt so die Bedürftigen vor den Findigen. Das Bürgergeld baut Bürokratie im Sozialsystem ab, macht es einfacher und dadurch gerechter und treffsicherer.
Das Liberale Bürgergeld ist darüber hinaus der entscheidende Reformschritt zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Es setzt das Leistungsprinzip im Niedriglohnbereich wieder in Kraft: Derjenige, der arbeitet, bekommt spürbar mehr, als derjenige, der nicht arbeitet. Es wirkt aktivierend durch einen gleitenden und lohnenden Übergang in die Erwerbstätigkeit.
Die Hinzuverdienstmöglichkeiten werden für die niedrigen Einkommensbereiche gegenüber dem Arbeitslosengeld II entsprechend angehoben. Die Freibetragsregelung soll so gestaltet werden, dass der Bürgergeldempfänger immer einen finanziellen Anreiz hat, nach höherem Einkommen zu streben.
Die FDP hat auf ihrem letzten Parteitag im Juni einen Beschluss gefasst, der das Modell des Bürgergeldes mit einem einfachen und gerechterem Steuersystem verbindet. Hier können Sie auch die Details zum Bürgergeldkonzept nachlesen:
http://59.parteitag.fdp.de/files/197/BPT-Nettokonzept.pdf
Mit freundlichem Gruß
Claudia Winterstein