Sehr geehrte Frau Moll, wie kann es sein, dass der Kanzler ihrer Partei kritische Infrastruktur an China verkauft? Haben Sie aus den letzten Monaten nichts gelernt?
Sehr geehrter Herr R.,
es wird keine kritische Infrastruktur an China verkauft. Der Hamburger Hafen und die Hafeninfrastruktur bleiben im Eigentum der Stadt Hamburg. Die geplante Minderheitsbeteiligung umfasst keine Anteile am Hamburger Hafen selbst, sondern betrifft nur das Terminal Tollerort - das kleinste von vier Terminals im Hamburger Hafen mit ca. 400 Mitarbeiter:innen. Bisher hält die HHLA alle Unternehmensanteile an dem Terminal. Um die geplante Übernahme der Anteile zu prüfen, hat das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im November 2021 ein sogenanntes Investitionsprüfungsverfahren eingeleitet.
Am 26. Oktober 2022 hat die Bundesregierung im Rahmen der Investitionsprüfung den Erwerb der Anteile per Kabinettbeschluss teilweise untersagt. Laut Beschluss darf COSCO nur eine Minderheitsbeteiligung von maximal 24,9 Prozent an der Betriebsgesellschaft des Terminals erwerben. Zudem ist es COSCO untersagt, auf anderen Wegen eine wirksame Beteiligung an der Kontrolle des Terminals zu erlangen. Dadurch ist es nicht möglich, Einfluss auf strategische Entscheidungen zu nehmen, die den Hamburger Hafen, die Hafengesellschaft oder das Terminal betreffen. So kann COSCO
- keine Mitglieder der Geschäftsführung, Prokurist:innen oder Personen mit Prokurist:innen vergleichbaren handelsrechtlichen Vollmachten bestimmen,
- keine Vetorechte in der Gesellschafterversammlung oder im Aufsichtsrat wahrnehmen,
- vom Hamburger Hafen nicht den Rückerwerb der Beteiligung verlangen, sowie
- lediglich ein Aufsichtsratsmitglied nominieren.
Der Hamburger Hafen und die HHLA bleiben dadurch voll unabhängig. Die Verwaltung der IT-und Vertriebsdaten bleiben weiterhin in der Verantwortung der HHLA. Die Minderheitsbeteiligung betrifft lediglich die Betriebstochter des Terminals Tollerort (CTT) der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Es handelt sich hierbei um eine reine Finanzbeteiligung, COSCO erwirbt keine Anteile am Hamburger Hafen. Außerdem erhält COSCO keine Exklusivitätsrechte, was bedeutet, dass das Terminal weiterhin für alle Kunden offen ist.
Eine Beteiligung an Terminals durch Reedereien ist international und auch im europäischen Raum nicht unüblich. So hält COSCO bereits Beteiligungen am Euromax-Terminal in Rotterdam (35 Prozent) und am Gateway-Terminal in Antwerpen (20 Prozent). In anderen europäischen Häfen (beispielsweise in Piräus, Athen) ist COSCO Mehrheitsanteilseigner.
China ist seit mehreren Jahren der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Die geplante Investition in das Terminal ist nicht nur für die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen wichtig, sondern stärkt auch langfristig den Standort Hamburg. Im März 2021 haben die Hamburger Hafengesellschaft und COSCO zudem eine Absichtserklärung für eine langfristige strategische Zusammenarbeit unterzeichnet. Ziel ist es, durch eine stärkere Kooperation die Terminalauslastung zu sichern und globale Lieferketten sicherzustellen, um so Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland und in Europa zu schaffen.
Da wir in einer globalisierten Welt leben, können wir nicht nur autark wirtschaften. Insbesondere für die Automobil- und Chemieindustrie ist China ein wichtiger Absatzmarkt.
Ich denke, dass die so abgeschlossene Beteiligung daher eine gute Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen, globalen Lieferketten und der Bewahrung unserer Infrastruktur darstellt.
Bei weiteren Nachfragen, wenden Sie sich gerne an mein Büro unter claudia.moll@bundestag.de, da die private Internetplattform abgeordnetenwatch.de Kontaktdaten der Fragesteller grundsätzlich für sich behält.
Mit freundlichen Grüßen nach Stolberg
Claudia Moll