Frage an Clara West von Tobias K. bezüglich Medien
Sehr geehrte Frau West,
ich habe mit Interesse vernommen, dass Sie die Möglichkeit einer Abwägung der bereitgestellten finanzieller Mittel für etablierte bzw. alternative Kunstformen in der Stadt sehen.
Ist es nicht so, dass gerade die großen Opernhäuser durch massive Einsparzwänge und Synergiebildungen der Verwaltung (Stichwort Opernstiftung), aber auch durch Abwicklungen einiger Orchester und des Ballettes, an eine Grenze weiterer Einsparmöglichkeiten gekommen sind? Diese Institutionen aber einen großen Teil des kulturellen Renommees der Stadt begründen? In welchem Zusammenhang stehen dabei Überlegungen einer Umschichtung der Mittel für sog. alternative Kunstformen, wo es doch allgemein eher um der Verwaltung eines Missstandes zu weniger Mittel für die Kultur insgesamt geht? Ich habe Sie bereits mit meiner Erstimme gewählt, musste aber feststellen, dass es mehr Übereinstimmungen mit der Kandidatin der Grünen gibt... Sollte allerdings die neue Regierung Rot/ grün sein, so soll es mir auch recht sein!
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Keil
Sehr geehrter Herr Keil,
erst einmal herzlichen Dank für die Erststimme, die ich als Vertrauensvorschuss begreife. Herzlichen Dank auch für die offenen Worte - Sie schneiden damit ein hochinteressantes Problem an.
Ich bin im Vorfeld des Wahlkampfes mehrfach gefragt worden, warum ich nicht einfach dafür plädiere, eines der drei teuren Opernhäuser zugunsten der kleinen Bühnen und Ateliers abzuschaffen. Ich habe mich mit deutlichen Worten gegen eine solche Argumentation verwahrt, denn es schadet den Etablierten genau so wie den Freien, wenn sie gegeneinander ausgespielt werden. Das sehen, glaube ich, die meisten so, denen die Kultur am Herzen liegt.
Es liegt mir fern, einem der drei Opernhäuser - egal, welchem - seine Bedeutung für das Renommee der Stadt abzusprechen. Ich meine allerdings, wir sollten verstärkt deutlich machen, dass auch die von Ihnen so bezeichneten "alternativen Kunstformen" einen mindestens ebenso wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Berlin für so viele Menschen auf der ganzen Welt so attraktiv ist. Hier tut sich was, hier bewegt sich was, im Großen wie im Kleinen! Dies ist in erster Linie das Verdienst der Künstler selbst, die sich immer neu erfinden, neue Räume erobern oder auch gesellschaftliche Prozesse anstoßen oder begleiten. Dazu gehört auch, den Rotstift nicht reflexhaft bei den Etats für die Kulturförderung anzusetzen.
Ich werbe immer wieder dafür, den Wert beider Formen anzuerkennen, die ja auch nicht immer ganz klar voneinander zu trennen sind, sondern die sich im Idealfall wechselseitig befruchten und ergänzen. Mit Anerkennung meine ich nicht (nur) einfach das liebe Geld, sondern auch die Aufmerksamkeit, die die Politik den Strategien zur Förderung bestimmter Kulturzweige schenkt. Hier könnte gerade in Bezug auf die freie Szene doch noch etwas mehr passieren. Hier geht es z.B. oft um den stark den schwindenden Raum für nicht-kommerzielle (Off-)Kultur im innerstädtischen Bereich.
Darüber hinaus ist Berlin ja nicht nur eine Stadt für Touristen, sondern vor allem für die Menschen, die hier leben. Auch deshalb haben die kleinen Einrichtungen und Initiativen in den Kiezen unsere Aufmerksamkeit verdient. Das gilt für eine ausreichende Versorgung mit Bibliotheken oder Musikschulen ebenso wie für eine vielseitige und kleinteilige freie Szene. Erst die kulturelle Bildung in der Breite eröffnet vielen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu den etablierten Kulturformen wie unseren Opern!
In der schwierigen Haushaltslage Berlins und der Bezirke geht es natürlich immer auch um das liebe Geld. Und insofern muss ich zugeben, dass es mir auch um eine Umverteilung eines kleinen Teils der Mittel geht, z.B. in Kooperationen zwischen den "etablierten" und den "alternativen Kunstformen". Aber ich denke, das wird beiden Seiten zu Gute kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Clara West