Frage an Christopher Gohl von Sebastian B. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Gohl,
ich habe in Medienbeiträgen und persönlichem Austausch oft den Eindruck bekommen, dass Ihre Partei ein sehr komplziertes und dadurch extrem eingeschränktes Verständnis des für Sie zentralen Begriffs Freiheit hat. Wie definieren Sie Freiheit? Bonuspunkte zumindest von meiner Seite für eine kurze Definition.
Mit freundlichen Grüßen,
S. B.
Sehr geehrter Herr B.,
Danke für Ihre Frage. Freiheit heißt für mich, faire und gute Chancen zu haben, das eigene Leben in eigener Verantwortung leben zu können.
Freiheit ist uns dabei nicht nur gegeben, sondern aufgegeben - für alle Menschen auf der Welt. Dieses Verständnis entspricht in etwa dem Verständnis von Ralf Dahrendorf (Lebenschancen), Amartya Sen (capailities), John Dewey (real freedom) oder - exakt sogar - Claus Dierksmeier (qualitative Freiheit). Dierksmeier unterscheidet konkrete Begriffe der Freiheit von einer allgemeinen Idee - die im Wechselspiel praktischer Erfahrung und philosophischer Einsicht begründete und konkretisierte Idee, dass wir einander ermöglichen, was wir voneinander auch erwarten: Die Freiheit, das eigene Leben verantwortlich zu leben. Ich zeichne das hier nach: http://www.theeuropean.de/christopher-gohl/11112-was-qualitative-freiheit-praktisch-heisst .
Wenn Sie das vertieft interessiert: http://www.theeuropean.de/christopher-gohl/7722-liberalismus-und-egoismus als Kritik an der früheren FDP, http://www.theeuropean.de/christopher-gohl/8631-die-wiederbelebung-liberalen-denkens als Abgrenzung von negativer (und positiver) Freiheit und http://www.theeuropean.de/christopher-gohl/9775-der-kampf-um-die-wuerde-der-frau als kosmopolitische Perspektive.
"Tja. Ist das nur ein naiver Traum von einer idealen FDP? Nein. Es ist Beschlusslage. Der hier skizzierte humanistische Liberalismus steht im Grundsatzprogramm der FDP "Karlsruher Freiheitsthesen für eine offene Bürgergesellschaft" aus dem Frühjahr 2012. Die Freiheitsthesen sind das Ergebnis des größten Beteiligungsprozesses einer deutschen Partei. Begonnen von Christian Lindner, damals noch FDP-Generalsekretär, abgeschlossen von seinem Nachfolger Patrick Döring, haben über 5.000 Liberale mit und ohne Parteibuch 20 Monate lang daran mitgewirkt", wie ich 2013 bereits schrieb - http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-10/fdp-liberalismus-gohl-lindner-zukunft-humanismus Und dieses Verständnis eines Chancen-Liberalismus ist im neuen Leitbild der FDP 2015 auch noch einmal bekräftigt worden: https://www.fdp.de/content/leitbildprozess . Lindners Rede lohnt sich!
Freiheit ist also eine einfache allgemeine Idee, aber ihre Umsetzung führt zu Vielfalt und Komplexität. Das ist auch gut so!
Mit besten Grüßen,
Christopher Gohl