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Frage von Niels O. •

Frage an Christopher Gohl von Niels O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gohl

in den letzten Jahren habe ich mich immer wieder mit Menschen unterhalten, die Arbeitslosengeld II, also Hartz4 bezogen haben. Die Erzählungen haben mich oft schockiert und ich fand den Umgang mit den Leuten unmenschlich. Ein Sachverhalt beschäftigt mich aber besonders:

Wie ich erfahren habe, dürfen Hartz4-Empfänger ihren Landkreis nur nach vorheriger Genehmigung, einzuholen mindestens eine Woche vorher, aber nicht früher als drei Wochen vorher verlassen.

Mit einigem Schrecken stellte ich fest, dass sich unser Staat in Artikel 11, Absatz 2 des Grundgesetzes dieses Recht wohl tatsächlich einräumt. Welchen Grund es dafür geben soll, ist mir allerdings nicht ersichtlich.

Meine Frage an Sie: Wie ist Ihre Haltung als Politiker zur Reisefreiheit von Hartz4-Empfängern? Käme es zu einer Abstimmung über diese Regelung, würden Sie für die Abschaffung der genannten Einschränkungen stimmen oder nicht?

Diese Frage werde ich auch den anderen Kandidaten meines Landkreises über dieses Portal stellen.

Mit den besten Grüßen
Niels Ott

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Ott,

verzeihen Sie bitte, dass ich Ihnen erst heute auf Ihre Frage antworte. Die Zeit für meine Kandidatur muss ich in meiner Freizeit finden, das geht auch zu Lasten meiner Familie, so dass ich Sie bitte, mir meine bisherige Prioritätensetzung nachzusehen. Zu Ihrer Frage musste ich mich auch erst informieren - die von Ihnen geschilderten Vorgaben des Amts an Hartz IV-Empfänger kannte ich nicht.

Eine die Reisefreiheit einschränkende Residenzpflicht für Empfänger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) gibt es nicht. Es gibt aber im SGB II eine Erreichbarkeitsvorschrift, die dazu dient, dass Leistungsempfänger für Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt auch real zur Verfügung stehen. Dies wird in der ergänzenden Erreichbarkeitsanordnung der Bundesagentur für Arbeit noch deutlicher, in der klargestellt wird, dass es darum geht, „Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen, das Arbeitsamt aufzusuchen, mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.“ Die Erreichbarkeit ist gegeben, wenn sichergestellt ist, dass Leistungsempfänger ihre Post täglich zur Kenntnis nehmen können.
Ausnahmen von dieser Erreichbarkeitsregelung sind möglich, allerdings an die Zustimmung der Arbeitsverwaltung gebunden. Ausdrücklich geregelt ist, dass die Zustimmung z.B. für die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder für die Teilnahme an Veranstaltungen mit kirchlichen, gewerkschaftlichen oder staatspolitischen Zwecken zu erteilen ist. Das Gesetz sieht auch eine Art Urlaubsregelung für drei Wochen pro Jahr vor. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass es in der Praxis zu Konflikten über die Handhabung dieser Zustimmungsregelung kommt; hier können Arbeitslosentreffs und -initiativen gegebenenfalls eine wichtige beratende und vermittelnde Funktion zwischen betroffenen Personen und den Ämtern wahrnehmen.

Mir ist selbst nicht bekannt, wie die Umsetzung der Regelung gehandhabt wird. Zunächst scheinen mir die Regelungen mit einigem bürokratischem Aufwand verbunden zu sein, der sich im Zeitalter digitaler Kommunikation vielleicht umgehen ließe. Post kann ja auch digital kommen und ist nicht an einen stationären Briefkasten gebunden. Andererseits setzt das Ziel, Arbeitssuchende in Arbeit zu bringen, ggf. schnelle Verfügbarkeit des Arbeitssuchenden voraus. Und jeder Mensch, der selbst im Erwerbsleben steht, weiß, dass die eigene Arbeit in der Regel auch stationär gebunden ist - ich als Angestellter muss meine Reiseabsichten meinem Arbeitgeber gegenüber ja auch nicht nur rechtzeitig kenntlich machen, sondern sie auch begründen. Das verstehe ich nicht als Beschränkung meiner Reisefreiheit, sondern als Teil meiner Leistungen für meinen Lebensunterhalt. Wenn ich das auf die Arbeitssuche und die damit verbundenen Leistungen übertrage, halte ich es für fair und billig, auch von Arbeitssuchenden zu erwarten, Abwesenheiten anzumelden und zu begründen.

Insofern würde ich als Abgeordneter darauf achten, dass die Regelungen nicht abgeschafft, aber mit Augenmaß umgesetzt werden.

Mit besten Grüßen,
Christopher Gohl