Frage an Christoph Strässer von Günther S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Strässer,
am 27.07.2008 stellte Ihnen Herr Andreas Reichhardt die Frage nach einer Beseitigung der Ungerechtigkeit im Hinblick auf eine unschuldige Inhaftierung. Er bezog sich dabei auf eine Haftdauer von1 Jahr.
Ich war zwischen 1984 und 1987 43 Monate in Ost-Berlin und Bautzen II als Bürger der BRD in Stasi-Gefängnissen inhaftiert. und habe also mehr als 3,5 Jahre meines Lebens für mein Land, die Bundesrepublik Deutschland, geopfert. Verurteilt wurde ich vom DDR-Militärobergericht zu 12 Jahren Haft wegen Spionage für den BND.
Nach meiner Rückkehr nach Münster, die durch einen Ost-West-Agentenaustauch vorzeitig erfolgte, stand ich familiär, finanziell und wirtschaftlich vor dem Ruin. Mein soziales Umfeld existierte nicht mehr und meine psychischen Haftfolgen bestehen bis zum heutigen Tag in Form posttraumatischer Belastungsstörungen - nach wie vor befinde ich mich deshalb in psychotherapeutischer Behandlung. Ich wurde zwar vom Generalstaatsanwalt in Hamm voll rehabilitiert, aber vom BND und von unserem Staat bin ich wie eine heisse Kartoffel fallen gelassen worden. Der Satz von John F. Kennedy: "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, frage, was du für dein Land tun kannst", sollte theoretisch nach wie vor Gültigkeit haben, praktisch ist er jedoch abzulehnen. Ich habe durch mein Pflichtbewusstsein und Engagement für mein Land a l l e s verloren, bin gesundheitlich beschädigt, lebe in einer Kellerwohnung und existiere von Hartz IV - Zahlungen und der dürftigen sog. Opferrente von EUR 250,-- . Ist D A S nun also der Dank des Vaterlandes? Weshalb wird mit unbequemen (weil lästigen?) Betroffenen, die nicht nur die schrecklichen Methoden der Stasi anprangern, sondern ebenfalls über die schlimmen Erfahrungen mit dem BND und dem gleichgültigen Umgang unserer Regierung mit ihren ehemaligen "Spionen" sprechen, derart skrupellos verfahren? Warum werden diese Tatsachen verschwiegen und unter den Teppich gekehrt?
Mit freundlichen Grüßen
Günther Schulz
Sehr geehrter Herr Schulz,
ich danke Ihnen für ihre Anfrage zum Thema Opferrente.
Ihrer Bemerkung über die Höhe der SED-Opferrente kann ich gut nachvollziehen.
Die zahlreichen Opfer der DDR-Diktatur verdienen selbstverständlich eine angemessene Entschädigung als auch gesellschaftliche Würdigung. Dies zu erreichen war das Ziel des 1. und 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes von 1992 bzw. 1994. Vor kurzem wurde das 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz verabschiedet, das weitere Verbesserungen für die Opfer vorsieht. Das "Dritte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR" (´SED-Opferrente´) ist seit dem 29. August 2007 in Kraft.
Insbesondere ist damit eine Opferrente in Höhe von monatlich 250 Euro eingeführt worden. Die Opferrente können SED-Opfer, die länger als 6 Monate in Haft waren und heute in ihrer wirtschaftlichen Situation besonders beeinträchtigt sind (das ist der Fall, wenn Alleinstehende weniger als 1.035 und Verheiratete weniger als 1.380 Euro monatliches Einkommen zur Verfügung haben), beantragen. Das Gesamtvolumen der Opferrente soll rund 100 Mio. Euro betragen. Bei der Opferrente gibt es zwar eine Bedürftigkeitsüberprüfung – analog zu anderen Opferregelungen – Renten oder rentenähnliche Zahlungen werden jedoch ebenso wie Partnereinkommen nicht angerechnet bzw. gelten dabei nicht als Einkommen. Insgesamt geht es bei der Opferrente nicht nur um den finanziellen Ausgleich sondern eben auch um die gesellschaftliche Anerkennung der Diktatur-Opfer. Ich pflichte Ihnen bei, dass der immaterielle Schaden, der Ihnen zugefügt wurde letztlich aber nicht wieder gutzumachen ist. Gerne biete ich Ihnen ein Gespräch in meiner Bürgersprechstunde an. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an mein Bürgerbüro in Münster.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Strässer