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Christoph Strässer
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Frage von Alf H. •

Frage an Christoph Strässer von Alf H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Strässer!
Die Wahlperiode des gegenwärtigen Deutschen Bundestages hat die Halbzeit überschritten, damit auch die Große Koalition. Es gibt nun zweieinhalb Jahre parlamentarische Erfahrung mit der Situation einer unter die 20%-Marke verkleinerten Opposition. Diese Tatsache bringt Fragen mit sich. Ich denke v.a. an das Recht auf Anstrengung einer Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht, das Recht auf Durchsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die Regelung der Redezeiten im Parlament, die Besetzung der Parlamentarischen Ausschüsse (in bestimmten Fällen) sowie die finanzielle Ausstattung der Fraktionen, wobei die grundsätzliche Notwendigkeit einer Kompensation der strukturellen Überlegenheit der Regierungspartei(en) durch die Oppositionszuschläge anerkannt ist.
Beispiel: Die Redezeiten der Fraktionen in den Debatten entsprechen ihrer quantitativen Stärke. Mir ist bekannt, dass es eine Vereinbarung aus dem Beginn dieser Legislaturperiode gibt, wonach die Oppositionsparteien eine um wenige Minuten erhöhte Redezeit erhalten. Da es keine „Koaliti-on in der Opposition“ gibt, müssen auch konträre oppositionelle Positionen vertreten und dargelegt werden können.
Meine Fragen an Sie sind:
1. Sind Sie der Auffassung, dass in der laufenden Legislaturperiode genug getan wurde, um die Rechte der Opposition zu sichern und zu wahren?
2. Welche weiteren und angemessenen Möglichkeiten sehen Sie, um die verfassungsgemäße Rolle der Opposition zu stärken?
3. Welche Möglichkeiten sehen Sie, das prinzipielle Recht der Opposition aus Art. 93 GG (Nor-menkontrollklage) zu sichern?
Diese Anfrage ist parteiübergreifend formuliert; dies entspricht nicht nur meiner parteipolitischen Präferenzoffenheit, sondern ist auch der Tatsache geschuldet, dass ich sie an alle vier Angeordneten meines Wahlkreises stelle.
Mit freundlichen Grüßen
Alf Hammelrath

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Antwort von
SPD

Lieber Herr Hammelrath,

vielen Dank für Ihre Frage zu den Rechten der Opposition im Bundestag, die ich gerne beantworten möchte. Zunächst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass die Reaktion so lange gedauert hat, aber einige Veränderungen in meinen politischen Funktionen und Tätigkeiten haben leider zu erheblichen Verzögerungen "im normalen Tagesgeschäft" geführt. Sorry deshalb.

Wie Sie bereits erwähnt haben, hat der Bundestag vor dem Hintergrund der auf ein Fünftel der Abgeordneten des Hauses reduzierten Oppositionsstärke einige Maßnahmen ergriffen, um die Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten zu sichern. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke verfügen gemeinsam über 127 der 631 Sitze im Parlament, was einem Anteil von etwa 20 Prozent entspricht.
- Das Quorum zur Einsetzung von Sondersitzungen des Bundestagsplenums, Untersuchungsausschüssen, Ausschussanhörungen oder von Enquete-Kommissionen sowie zur Erhebung einer Subsidiaritätsklage beim Europäischen Gerichtshof ist von 158 Stimmen (25 Prozent) auf 120 Stimmen (20 Prozent) abgesenkt worden
- Es wurde den Oppositionsfraktionen mehr Redezeit eingeräumt, wobei die Oppositionsfraktionen in den so genannten Kurzdebatten proportional nun sogar mehr Redezeit zugesprochen bekommen haben als die SPD, obwohl diese insgesamt mehr Abgeordnete stellt
- Der Oppositionszuschlag in der finanziellen Ausstattung der Fraktionen zur Kompensation dafür, dass Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke nicht von den Ministerien und deren Apparaten profitieren können, beträgt nun 15 Prozent Aufschlag auf den Grundbetrag und weitere 15 Prozent statt wie bisher 10 Prozent für die Beträge je Fraktionsmitglied

Neben diesen verhandelten Punkten stehen der Opposition zur Kontrolle der Arbeit der Bundesregierung im Übrigen noch die üblichen Mittel wie Fragestunden und Anfragen zur Verfügung. Das abstrakte Normenkontrollverfahren ist eine wichtige, aber in der Praxis selten genutzte Verfahrensart vor dem Bundesverfassungsgericht. Mit der abstrakten Normenkontrolle können sämtliche Normen des Bundes- oder Landesrechts auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft werden, bei Landesrecht zudem auf die Vereinbarkeit mit sonstigem Bundesrecht. Das Quorum, welches dieses Instrument belegt, beträgt ein Viertel der Mitglieder des Bundestags und ist im Grundgesetz festgeschrieben.

Aktuell klagt die Fraktion Die Linke vor dem Bundesverfassungsgericht hinsichtlich dieses Rechtes zur Anstrengung eines abstrakten Normenkontrollverfahrens. Die Frage ist, ob von einer Lücke im Grundgesetz auszugehen ist - also, dass beim Entwurf des Grundgesetzes der Fall einer marginalisierten Opposition nicht mitbedacht wurde. Womöglich ist es aber auch im Sinne der Mütter und Väter des Grundgesetzes gewesen, hier auch eine entsprechende Hürde einzuziehen, um aus Minderheitsrechten keine Minderheitsprivilegien entstehen zu lassen. Das zu klären, halte ich in diesem diffizilen Fall für eine legitime Aufgabe der obersten Hüterin unserer Verfassung.

In einer ersten mündlichen Verhandlung, die hierzu in Karlsruhe im Januar stattgefunden hat, ist vom Präsidenten Voßkuhle angedeutet worden, dass die oben ausgeführten Verbesserungen für die Opposition entgegenkommend seien. Auch aus diesem Grund war aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion die Geschäftsordnung des Bundestags als gewählten Ort für die Verankerung der genannten Punkte richtig. So hat der Bundestag auch beschlossen, dass die dort nun hineingeschriebenen Rechte für die die Bundesregierung nichttragenden Fraktionen selbstverständlich auch nicht ohne diese wieder eingeschränkt werden können. Im Falle der Normenkontrollklage sollte dann das Urteil abgewartet werden.

Mit freundlichen Grüßen
Christoph Strässer