Frage an Christoph Strässer von Martin W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Strässer,
die Beamte, Richter,… fühlen sich in Münster und NRW von der SPD und Hannelore Kraft belogen, verraten und schlecht behandelt. Es gibt die Zitate „Lügen-Hanni“ und Behandlung der Beamten „so wie früher ostelbische Junker ihre Stiefelknechte“.
Fakt ist, dass die SPD bei der Besoldungsrund in 2011 von einem Ende der Sonderopfer für Beamte gesprochen hat. 2012 war die Wahl in NRW, ohne dass die SPD für die Wähler erkennbar von dieser Position abgerückt ist und 2013 wurde erstmals in der Geschichte der BRD das Ergebnis des Tarifvertrages nicht sinngemäß auf die Beamten, Richter,… übertragen. Es gab für eine Vielzahl Nullrunden bzw. Anpassungen deutlich unter der Inflationsrate und damit faktisch Gehalts- und Pensionskürzungen. Frau Kraft hat dies auch einmalig für Sozialdemokraten nicht mit den Gewerkschaften besprochen, sondern ihr Ergebnis ohne Vorankündigung vorgestellt und trotz massiver Hinweis, dass das Gesetz verfassungswidrig ist, war sie zu keinen Gesprächen über Korrekturen bereit.
Meine Fragen:
Sehen Sie das Verhalten der SPD und von Frau Kraft in NRW in diesem Fall als Muster für den Bund?
Distanzieren Sie sich aufgrund dieser Situation von Frau Kraft und der SPD-NRW oder begrüßen Sie dieses Verhalten?
Wie hätten Sie sich persönlich an der Stelle von Frau Kraft verhalten bzw. wie hätten Sie abgestimmt, wenn Sie bei der Besoldungsanpassung („Doppelnullrunde“) MdL NRW gewesen wären?
Warum sollen Beamte, Richter,… aus NRW einem SPD-Politiker und Ihnen aufgrund dieser Erfahrungen noch vertrauen?
Was können Beamte, Richter,… (Bund, Land,…) bei einer Regierungsbeteiligung der SPD erwarten?
Welche Opfer wird es bei einer Regierungsbeteiligung der SPD für diese Gruppen geben?
Wie wird sich die SPD und wie werden Sie sich persönlich bei den Gesprächen zu der nächsten Besoldungsrunde verhalten?
Wofür werden Sie voraussichtlich 2015 bei dem nächsten Gesetz zur Anpassung der Beamtenbesoldung im Bundestag stimmen?
MfG
Martin Weber
Sehr geehrter Herr Weber,
Herr Strässer dankt Ihnen für Ihre Anfrage, die Sie ähnlich auch schon an unsere Kollegin aus dem Landtag und Ministerin Svenja Schulze gestellt haben. Bitte gestatten Sie mir, dass ich mich einigen Ausführungen anschließe und auf diese verweise.
Den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis
90/DIE GRU?NEN findet Ihr hier.
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-3518.pdf
Es gab in den fünf Jahren, in denen CDU und FDP in NRW regiert haben, einige Maßnahmen, die die Beamtinnen und Beamten und den öffentlichen Dienst insgesamt negativ betroffen haben. Diesen Weg wollten wir nicht weitergehen.
Eine 1:1 Übernahme des Tarifabschlusses der Länder für die Laufzeit 2013/2014 auf die Beamtinnen und Beamten haben wir aber nicht versprochen. Es wird ja hier und da - leider nur verkürzt - aus einem Brief des Finanzministers an den Beamtenbund aus dem Jahre 2011 zitiert. Richtig ist, dass dort darauf hingewiesen wurde, dass wir die Tarifergebnisse der Jahre 2011 und 2012 auch auf die Beamtinnen und Beamten übertragen. Im gleichen Brief heißt es aber auch, dass im Rahmen einer nachhaltigen Politik Konsolidierungsmaßnahmen unausweichlich sind und dass auch die Personalausgaben als größter Ausgabenblock dabei nicht außen vor bleiben können.
Es gehört zu einer verantwortungsvollen Politik, die Finanzen nicht aus dem Blick zu verlieren. Wir müssen die Schuldenbremse bis 2020 einhalten. Und wir stehen vor großen Zukunftsinvestitionen, insbesondere in Bildung, Vorbeugung und Familie. Um Einsparungen kommen wir da nicht herum. Wir sparen mit Augenmaß, wir schauen uns jeden Fachbereich und alle Aufgaben an. Den Personalbereich können wir nicht ausklammern, denn er macht über 40 Prozent des Landeshaushalts aus. Das haben wir nie verschwiegen.
Die Haushalte müssen bereits jetzt so aufgestellt werden, dass die Schuldenbremse eingehalten werden kann. Da die Personalausgaben fast die Hälfte des Landeshaushaltes ausmachen, müssen sie in eine nachhaltige und verantwortungsvolle Haushaltskonsolidierung einbezogen werden. Eine 1:1-Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten würde für den Haushalt 2014 Mehrkosten in Höhe von rund 700 Mio. Euro verursachen. Alternativ müssten rund 14.000 Stellen aus dem Haushalt gestrichen werden (Schule: 7.538, Polizei: 2.224, Justiz: 1.564, Finanzverwaltung: 1.187, Sonstige: 1.487).
Es müssten also zigtausend Stellen gestrichen werden, um die Mehrkosten der vollen Besoldungsanpassung auszugleichen. Weil wir unmöglich im gleichen Umfang Leistungen und Aufgaben zurückfahren können, wäre zwangsläufig eine sehr viel höhere Arbeitsbelastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Folge. Das wollen wir nicht. Andere Forderungen lauteten, Kürzungen von Pensionen oder Weihnachtsgeld, Beförderungsstopps, noch längere Arbeitszeiten oder etwa Heraufsetzung des Pensionsalters. All das halten wir weder für sozial ausgewogen noch für zielführend, wenn es um motivierte Beschäftigte geht. Wir wollten, dass keine Kollegin und kein Kollege weniger verdienen wird und Sonderzahlungen unangetastet bleiben. Und wir wollten am Prinzip der Beschäftigungssicherung festhalten und stellen uns darum gegen eine Rasenmäher-Personalkürzung und Arbeitsverdichtung.
Der Tarifvertrag für die Jahre 2013/2014 sieht eine Steigerung der Entgelte um 2,65% ab dem 01.01.2013 und eine weitere Steigerung von 2,95% ab dem 01.01.2014 vor. Mit dem Besoldungsanpassungsgesetz 2013 wird das Tarifergebnis für die Besoldungsgruppen bis A 10 1:1 umgesetzt, für die übrigen Besoldungsgruppen findet eine Staffelung statt. Die Besoldungsgruppen A 11/A 12 erhalten in 2013 und 2014 eine Besoldungsanpassung von je 1 Prozent, die Besoldungsgruppen ab A 13 erhalten keine Besoldungsanpassung.
Auch nach der Besoldungsanpassung liegen die Nettobeträge der Beamtinnen und Beamten in allen Besoldungsgruppen über den der vergleichbaren Tarifbeschäftigten
Ein Beamtenverhältnis ist weiterhin attraktiv: Ein sicherer Arbeitsplatz, eine auskömmliche Pension und viele weitere beamtenrechtliche Sicherungsinstrumente haben für die meisten Menschen einen sehr hohen Stellenwert.
Für weitere Besoldungsbestandteile wie z.B. die allg. Stellenzulage, den Familienzuschlag, die Amtszulagen oder die Auslandszuschläge soll das Tarifergebnis in vollem Umfang auf alle Besoldungsgruppen übertragen werden. Auch die gesetzlich vorgesehene höhere Zuführung zur Versorgungsrücklage in Höhe von 0,2%-Punkten wird vorgenommen.
Unter Berücksichtigung all dieser Ausführungen handelte es sich um eine schwere, aber vertretbare auf sachlichen Abwägungen basierte Entscheidung. Wir bitten auch dies zu berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Strässer