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Frage von Gerhard R. •

Frage an Christoph Strässer von Gerhard R. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Strässer,

taz.de - vor 4 Stunden
Zehntausende Heranwachsende bekommen Werbebroschüren von der Bundeswehr. ... noch gültige Formulierung im Wehrpflichtgesetz: Demnach dürfen die Daten "nur ...
03.01.2012
Auszug:
"In der Gesetzesbegründung ist festgehalten, dass dies der Werbung Freiwilliger dient", sagt Gausepohl. Das bestätigt auch das für Nachwuchswerbung zuständige Bundesamt für Wehrverwaltung in Bonn.

Der ehemalige Verwaltungsbeamte widerspricht dem. Der schleswig-holsteinische Friedensaktivist verweist auf die noch gültige Formulierung im Wehrpflichtgesetz: Demnach dürfen die Daten "nur zur Übersendung von Informationsmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften verwendet werden". Versandt worden sei jedoch "reine Werbung". Die Risiken von Auslandseinsätzen etwa "werden komplett ausgeblendet". Dabei kämen viele Soldaten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung von Auslandseinsätzen zurück. Davon stehe in den Schreiben aber nichts. "Information muss ausgewogen sein, Werbung nicht."

Dazu: In den Werbeschreiben wird auf www.bundeswehr-karriere.de hingewiesen. Dort fehlen ebenfalls Hinweise auf die in Auslandseinsätzen besonders vorhandenen körperlichen und psychischen Gefährdungen.
Der Text des § 58 Abs. 2 Wehrpflichtgesetz fordert ohne Wenn und Aber INFORMATIONEN.
Allgemein bekannt ist, daß das Gegenteil von Information die Desinformation(gibt es bekanntlich durch Weglassen von Hinweisen) ist. Die Wörter DESINFORMATION und WERBUNG stehen aber nicht im Gesetzestext.
Zum Verweis auf die Gesetzesbegründung("WERBUNG"): Darf das unmißverständliche Wort INFORMATION durch eine Gesetzesbegründung beseitigt werden?

Stimmen wir darin überein, daß hier das Bundesamt für Wehrverwaltung gegen § 58 Abs. 2 Wehrpflichtgesetz verstößt?
Kann auf politischem Wege die gesetzwidrige Werbung wegen der Mehrheitsverhältnisse nicht verhindert werden?
Welche rechtliche Möglichkeit hat die SPD?

Mitr freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reth,

ich verstehe Ihre Bedenken hinsichtlich der Werbematerialien der Bundeswehr, die an Minderjährige verschickt werden. Es wäre wünschenswert, die Jugendlichen auch über die Risiken von Auslandseinsätzen hinzuweisen. Allerdings wird das in § 58 Abs. 2 Wehrpflichtgesetz genannte "Informationsmaterial" gemäß der Gesetzesbegründung gerade zum Zweck der Personalwerbung versendet. Mithin ist der Begriff „Informationsmaterial“ weit auszulegen und schließt Werbung mit ein. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass die Bundeswehr aufgrund des Wegfalls der Wehrpflicht auf die Werbung angewiesen ist, um Nachwuchs für sich zu gewinnen. Ohne den entsprechende Nachwuchs kann die Bundeswehr den verfassungsmäßigen Auftrag nicht erfüllen.

So heißt es in der Begründung Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 - WehrRÄndG 2011), Drs. 17/4821: wörtlich: „[…] Der personellen Regenerationsfähigkeit der Streitkräfte kommt vor allem wegen eines durch die demographische Entwicklung bedingten verschärften Wettbewerbs mit der Wirtschaft eine besondere Bedeutung zu. Ohne den entsprechenden Nachwuchs ist die Erfüllung des verfassungsmäßigen Auftrags der Bundeswehr gefährdet.

Für die Zusendung von Informationsmaterial nach [§ 58] Absatz 2 Satz 1 werden nur die in Absatz 1 Satz 2 abschließend auf-geführten Daten benötigt. […] Den Betroffenen steht ein Widerspruchsrecht zu, das gegenüber den Wehrersatzbehörden geltend zu machen ist (§ 18 Absatz 7 des Melderechtsrahmengesetzes – neu –).“

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass die Versendung von Personalwerbung rechtlich in Ordnung sei, da die Jugendlichen bis zu ihrem 18. Lebensjahr nur für zivile Tätigkeiten eingesetzt und nicht zum Dienst an der Waffe herangezogen würden. Desweiteren ist zu berücksichtigen, dass die Jugendlichen, gemäß § 58 Abs. 2 S. 2 WPflG sich durch einen Löschungsantrag gegen die Zusendung von Werbung wehren können, wobei ich dies in der Praxis als nur theoretische – gleichwohl wichtige – Möglichkeit ohne große praktische Bedeutung sehe.

Aufgrund der ablehnenden Position der Bundesregierung hinsichtlich Kritik an § 58 Abs. 2 WPflG ist auch zukünftig keine Änderung zu erwarten.

Dies zeigt auch, dass im Rahmen der Schlussberatung der Wehrpflichtnovelle ein Antrag, den § 58 Wehrpflichtgesetz zu streichen, abgelehnt wurde.

Rechtlich ist die Zusendung von Informationsmaterial zum Zwecke der Personalwerbung erlaubt. Sachliche Information, die Werbung als unvermeidbaren Nebeneffekt hat, ist zulässig. Werbung muss auf den ersten Blick erkennbar sein. Angesichts des gestiegenen Rekrutierungsdrucks der Bundeswehr darf das Informationsmaterial aber nicht verharmlosen. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass das Informationsmaterial an geeigneter Stelle – auch wenn es sich um Werbung handelt – über die objektiven Gefahren von Einsätzen der Bundeswehr informieren muss.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Strässer