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Christoph Strässer
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Frage von Martin K. •

Frage an Christoph Strässer von Martin K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Strässer,

die im aktuellen Bundestag noch vorhandene linke Mehrheit wurde nicht genutzt, um sinnvolle Projekte wie den Mindestlohn umzusetzen. Stattdessen "versteckt sich" sich die SPD hinter dem Koalitionsvertrag. Wie wollen Sie (bzw. Ihre Partei) im nächsten Bundestag, der, falls es für eine schwarz-gelbe Koalition nicht ausreicht, bei Ausschluss einer Koalition mit der Linkspartei, mit höchster Wahrscheinlichkeit nur Regierungskoalitionen unter Einschluss von CDU oder FDP ermöglicht, einen flächendeckenden Mindestlohn und andere sinnvolle Ideen, wie z.B. die Bürgerversicherung, durchsetzen, obwohl CDU und FDP diese ablehnen und wohl auch kaum in Koaltionsverhandlungen ihre Position dazu aufgeben werden?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Keßler,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 21. September 2009. Die Bundestagswahl ist ja nun gelaufen, das Ergebnis bekannt. Bevor ich konkret auf Ihre Fragen eingehe, gestatten Sie mir bitte 2 Vorbemerkungen.

Ich habe Dutzende von Veranstaltungen in der „heißen Wahlkampfphase“ mitgemacht, zum Teil mit den Bewerbern der anderen Parteien, die jetzt im Deutschen Bundestag vertreten sind. Dabei hat z.B. das Thema „flächendeckender Mindestlohn“ in allen Debatten eine wichtige Rolle gespielt. „Gefühlt“ hatten dabei die Vertreter der Parteien, die sich für einen solchen Mindestlohn einsetzten, eine Mehrheit hinter sich. Das Ergebnis der Wahl spricht nun aber deutlich eine ganz andere Sprache: Da auch bundesweit das Thema Mindestlohn eine große Rolle gespielt hat – Frank-Walter Steinmeier hat dies bei allen Kundgebungen immer sehr deutlich ins Zentrum seiner Ausführungen gestellt - , war die Bundestagswahl auch eine Abstimmung über die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Das Ergebnis ist bekannt. Die SPD wird sich jedoch auch weiter nicht davon abhalten lassen, das Thema weiter auf die Tagesordnung zu setzen, gerade angesichts der Meldungen, dass die FDP auf dem Weg ist, beschlossene Mindestlöhne wieder abzuschaffen. Das führt mich zu meiner 2. Vorbemerkung: Sie sprechen in ihrer Frage von einer „linken Mehrheit“ Im Parlament. Die hat es nicht gegeben. Es reicht nicht aus, in Einzelfragen Stimmen aus einzelnen Fraktionen oder auch ganzer Fraktionen zusammenzuzählen und daraus eine parlamentarische Mehrheit zu konstruieren. Beim Mindestlohn gab es sie auch rechnerisch schon nicht, weil die Positionen der Fraktionen, die sie sicherlich meinen, in der Frage der Höhe des Mindestlohns sehr weit auseinander gelegen haben. Deshalb ist es nach meiner Ansicht auch so wichtig, dass Parteien, die in ihren Programmen viele gemeinsame Schnittmengen enthalten, dies vor den nächsten Wahlen formulieren und damit möglicherweise zu Ergebnissen kommen, die eine grundsätzliche Zusammenarbeit ermöglichen und dann auch formal in eine Koalition führen. Mit Mehrheiten in Einzelfragen kann man auch nach meiner jetzige Überzeugung ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland jedenfalls verantwortlich nicht regieren.

Zu ihrer ersten Frage möchte ich Ihnen mit einem kurzen Hinweis auf unsere Regierungsbilanz der vergangenen Legislaturperiode Antwort geben. In dieser Zeit ist es uns gelungen, den Weg für einen Mindestlohn in weiteren Branchen frei zu machen. Das SPD-geführte Ministerium für Arbeit und Soziales unter Bundesminister Olaf Scholz hat durchgesetzt, dass etwa 2,2 Millionen zusätzliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Branchenmindestlöhnen geschützt werden. Aktuelle Schritte zu einer Ausweitung der Mindestlohnregelungen wurden zuletzt zum 24. April diesen Jahres unternommen, als dem Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zusätzlich sechs weitere Branchen hinzugefügt werden konnten. Dass die Garantie fairer und anständige Löhne, von der nun rund 3,3 Millionen Beschäftigte profitieren, auch gegen den politischen Widerstand des Koalitionspartners durchgesetzt werden konnte, ist ein Erfolg der letzten Regierungsjahre. Er zeigt, dass sich die SPD-Fraktion keineswegs hinter ihrem Koalitionspartner versteckt hat, sondern auch unter erschwerten Bedingungen für eine soziale und verantwortungsvolle Politik eingetreten ist und eintreten wird.

Dies führt zu Ihrer zweiten Frage: Wie können angesichts einer schwarz-gelben Mehrheit gesellschaftlich notwendige Ideen umgesetzt werden, die eine faire Lastenverteilung nicht aus dem Blick verlieren? Auch hier werden wir in einer schwierigen politischen Situation für das soziale Augenmaß eintreten und uns einer einseitigen Privilegiertenpolitik entgegenstellen. So wie Sie spreche auch ich mich für eine am Modell der Bürgerversicherung ausgerichtete Gesundheitsreform und einen flächendeckenden und branchenübergreifenden Mindestlohn aus. Ich bin allerdings der Überzeugung, dass es keinen Sinn macht, in diesen Punkten in einer bequemen „Alles-oder-Nichts“-Blockade zu verharren. Stattdessen sehe ich meine Aufgabe darin, mögliche Annäherungen an den gewünschten Zustand auszuloten und für eine bessere Politik zu nutzen. Dabei ist mir wichtig, dass in der notwendigen Suche nach tragfähigen Kompromissen diejenigen Inhalte durchgesetzt werden, die die Menschen einerseits vor unsozialen Strukturveränderungen schützen, andererseits aber auch nicht die Grenzen des Machbaren vorsätzlich verkennen.

Die Situation für linke Politik in diesem Land ist nach dem 27.09. nicht wirklich besser geworden. Entscheidungen wie die der Grünen im Saarland für „Jamaika“ oder auch der SPD in Thüringen für schwarz-rot machen dies nicht besser. Deshalb sind alle, denen es wirklich an einer Veränderung gelegen ist, aufgerufen, sofort damit zu beginnen, eine gemeinsame politische Basis zu entwickeln und spätestens für 2013 wieder andere Mehrheitsverhältnisse im Parlament herbeizuführen.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Strässer