Frage an Christoph Strässer von Torsten K. bezüglich Bildung und Erziehung
Guten Tag
Sie vertreten in der SPDFRaktion das Thema Menschenrechte. In einer freoheitlich-demokratischen Grundordnung müsste es ein gesetzlich verankertes Recht auf (fair) bezahlte Arbeit eines jeden Bürgers oder ein bedingungsloses Grundeinkommen geben, so dass kein Bürger in Hartz4Verhältnissen in Armut, weitgehend ohne Bürgerrechte und in tagtäglicher Angst vor Schikanen leben muss.
Wie ist Ihre Position? Haben Sie zumindestens das Moratorium gegen Sanktionen, das Bürger, die keinen Job finden können, beim kleinsten Widerstandsversuch oder Fehler das Existenzminimum entzieht, unterschrieben?
Freundliche Grüße Torsten Kulick
Sehr geehrter Herr Kulick,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage zum Thema Grundeinkommen und Hartz IV.
Meine Fraktion und ich haben uns in den vergangenen Jahren sehr dafür eingesetzt, einen flächendeckenden Mindestlohn für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu realisieren. Aufgrund der politischen Konstellation konnten wir bisher leider nicht alle Ziele umsetzen. Immerhin ist es jedoch gelungen, neun Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufzunehmen und damit für rund 3 Millionen Beschäftige einen Mindestlohn durchzusetzen.
Selbstverständlich bleibt es oberste Priorität, weitere Instrumente zu etablieren, die Arbeitnehmer vor Dumpinglöhnen schützen und dazu beitragen, dass Menschen von ihrer auskömmlich leben können. Ein bundesweiter Mindestlohn ist dabei integraler Bestandteil.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen als Ausgleich beziehungsweise Zusatz ist nach meinem Ermessen jedoch keine Antwort auf die bestehenden sozialpolitischen Herausforderungen.
Wir Sozialdemokraten befürworten selbstverständlich die Förderung der gesellschaftlichen Zugehörigkeit aller und unterstützen all jene Maßnahmen, die verhindern, dass trotz Existenz sichernder Leistungen, zahlreiche Menschen noch immer von Armut betroffen sind. Gleichwohl bin ich überzeugt, dass das bedingungslose Grundeinkommen nicht zwangsläufig eine Antwort auf die bestehenden Herausforderungen ist.
Gerne nenne ich Ihnen hierfür auch Gründe. So ist diese Form der Sozialpolitik ein rein auf monetäre Leistungen ausgerichtetes Prinzip. Eine umfassende Inklusion aller in unsere Gesellschaft kann mit einem finanziellen Transfer wie dem bedingungslosen Grundeinkommen ebenso wenig behoben werden, wie die Spaltung der Gesellschaft über den Erwerbsstatus des Einzelnen.
Gerade die oftmals erhoffte Angleichung der Lebenslagen kann über ein bedingungsloses Grundeinkommen nur schwer erreicht werden, weil die Adressaten nicht gleichermaßen in der Lage sind, dass Grundeinkommen so einzusetzen, dass sie darüber "inmitten" der Gesellschaft leben. Weiterhin bedingt die allein finanzielle Ausrichtung dieses Konzeptes, dass Armut und Ausgrenzung nur eindimensional bekämpft werden. Sozialtransfers dieser Art können die häufig komplexen Probleme und Lebenslagen der Betroffenen nicht effektiv ansprechen, wie es zum Beispiel zusätzliche sozialer Dienste und Einrichtungen tun.
Grundsätzlich glaube ich, dass die Inklusionswirkung des bedingungslosen Grundeinkommens überschätzt wird: über ausreichend Geld verfügen zu können, ist keineswegs für alle Menschen eine hinreichende Bedingung dafür, mit gleichen Freiheits- und Beteiligungsrechten zur Gesellschaft und "in Augenhöhe" mit allen anderen dazuzugehören.
Die für alle notwendige Grundsicherung wird zurzeit nicht ausreichend geleistet - und muss folglich verbessert werden. Dafür sollten nach meiner Einschätzung aber nicht der ausschließlich der Weg des bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert werden. Gesellschaftliche Teilhabe kann nicht durch ein Instrument allein gewährleistet werden. Vielmehr sollten für unterschiedliche Problemlagen und Verwerfungen differenzierte Instrumente zur Grundsicherung bereitgestellt und überdies mit der Ermöglichung von Erwerbsarbeit und einem besseren Angebot an sozialer Infrastruktur untermauert werden.
Ich bin überzeugt, dass wir mit der Forderung und unserem Einsatz für einen flächendeckenden Mindestlohn wichtige und richtige Positionen beziehen. Auch zukünftig werden wir uns daher mit einer differenzierten Politik und umfassenden, den Problemlagen angemessenen Instrumenten dafür einsetzen, nicht nur die monetäre Seite gesellschaftlicher Inklusion zu bearbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Strässer (MdB)