Frage an Christoph Bergner von Günter E. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Bergner,
mit großer Besorgnis sehe ich die Entwicklung bei dem neuen "Beitragsservice" der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wie stellen Sie sich dazu? Hier die einzelnen Kritikpunkte:
1. Der neue Beitrag wird ja jetzt auf Haushalte erhoben, ungeachtet dessen, ob es sich dabei um einen Rentner am Existenzminimum oder um eine Luxusvilla handelt.
2. Zwar gibt es eine Härtefall-Regelung, der aber nur sehr bedingt Folge geleistet wird. Inzwischen wurden Fälle bekannt, daß sogar Hartz-4-Empfänger bezahlen sollen. Und zwar dann, wenn diese keine zusätzlichen Sozialleistungen beantragt haben. Tun sie dies aber, so wird jede zusätzliche Leistung erst mal mit dem Beitrag verrechnet. - Studenten, die Bafög beziehen, müssen trotzdem bezahlen, wenn der diesbezügliche Bescheid zu spät erstellt wird.
3. Bürger, die keinerlei Leistungen der Sender abfordern, sollen im Rahmen dieser "Demokratie-Abgabe" dennoch bezahlen. Mein Verständnis für Demokratie ist ein anderes.
4. Wenn ich mir anschaue, wofür diese immensen Gelder - die Rede ist von mindestens 7,5 Milliarden - verwendet werden, stellt sich mir doch die Frage, ob hier von einer "Grundversorgung" gesprochen werden kann. Gehört zu einer solchen Grundversorgung der Ankauf extrem teurer Fußballübertragungsrechte? Oder die Finanzierung völlig überzogener Moderatoren- und Intendantengehälter? Oder die Berentung der Mitarbeiter in Höhe von € 1.500,00 - zusätzlich zur gesetzlichen Rente? Nur drei Beispiele von vielen anderen.
5. Der gesetzlich verankerte Bildungsauftrag führt nur noch ein Nischendasein.
6. Mit am schlimmsten finde ich das Einsammeln der privaten Daten bei den Meldämtern. Hier wird eine parallele Meldedatei aufgebaut. Ja, parlamentarisch abgesegnet, das macht die Sache aber nicht besser.
Mich interessiert Ihre persönliche Meinung dazu. Die offiziellen Verlautbarungen kenne ich alle, benötige also keine weiteren Textbausteine.
Mit freundlichem Grüße
Günter Erbrecht
Sehr geehrter Herr Erbrecht,
Sie weisen mit Ihrem Schreiben auf Probleme im Zusammenhang mit der Reform der Rundfunkgebühren hin, die von verschiedenen Seiten artikuliert werden und mir nicht unbekannt sind. Die heftige Kritik an der Reform war nicht zu überhören - Protestaktionen und Petitionen erreichten auch den Deutschen Bundestag, der an der Entscheidungsfindung der Neuregelung übrigens nicht beteiligt war, da die Medien- und Rundfunkpolitik in Deutschland in der Zuständigkeit der Länder liegt. Alle 16 Bundesländer haben den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einzeln ratifiziert.
Der Rundfunkbeitrag als öffentlich-rechtliche Abgabe fußt auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er ist dessen vorrangige Finanzierungsquelle. Ich sehe die Probleme des neuen Gebührenmodells sehr deutlich. Die Umstellung des Gebührenmodells war der Erkenntnis geschuldet, dass das bisherige gerätebezogene Gebührenmodell insofern nicht mehr zeitgemäß ist, als eine Vielzahl technischer Geräte heute in der Lage ist, Rundfunk zu empfangen. Auch wenn jemand über keinen eigenen Fernseher oder ein Radio zu Hause verfügt, gibt es inzwischen vielzählige andere Geräte wie Handys und Smartphones, mit denen ebenfalls die gebührenfinanzierten Angebote empfangen werden können.
Insofern verstehe ich die allgemeine Gebührenpflicht. Mit ihrer Einführung erhält aus meiner Sicht die bisherige Rundfunkgebühr den Charakter einer Steuer. Das kann nicht ohne Rückwirkung auf die Legitimation der Entscheidung über die geforderte Höhe der Beiträge und ihre Verwendung sein. Ich sehe deshalb den anstehenden Gerichtsentscheidungen in der Sache mit Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christoph Bergner