Frage an Christine Stahl von Andreas P. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Stahl,
in Bayern hat jeder Schüler ein Anrecht auf einen Klassenlehrer mit Staatsexamen, auch jeder Schüler mit einer Behinderung -mit einer einzigen Ausnahme: nur Schüler mit einer Geistigen Behinderung müssen sich ihren Klassenlehrer zusammen mit 2-3 anderen Klassen teilen, der zwischen diesen hin- und herspringt. Der übrige Unterricht wird durch Heilpädagogische Förderlehrer oder Fachlehrer erteilt. Auch diese leisten hoch engagierte Arbeit. Aber kein Mensch käme auf die Idee für die Grundschule zu fordern: Den überwiegenden Anteil des Unterrichts muss kein Grundschullehrer mit Staatsexamen erteilen. Das kann auch eine Förderlehrerin übernehmen und wir sparen uns das viele Geld für die teuren Grundschullehrerinnen.
Meine 1. Frage hierzu:
Finden Sie diese Situation akzeptabel oder würde Ihre Partei etwas Effektives unternehmen, um eine grundsätzliche Änderung herbeizuführen. Eine erste konkrete Maßnahme könnte sein, die mit dem 2. Staatsexamen fertigen Lehrkräfte nicht auf 5-Jahres-Wartelisten zu setzen oder mit Angestelltenverträgen hinzuhalten, sondern sofort mit einer Planstelle zu übernehmen. Dann würden sich zudem wieder mehr junge Menschen entschließen, Sonderschullehrer zu werden.
2. Frage:
Würde sich Ihre Partei im Landtag dafür einsetzen, dass das Bayer. EUG (Erziehungs- und Unterrichtsgesetz) dahingehend geändert wird, dass endlich auch in Bayern echte Integrationsklassen eingerichtet werden dürfen oder kann durch deren Verweigerung weiterhin in Bayern gegen die durch die Bundesregierung unterzeichnete UN-Konvention zum Schutz der Menschenrechte für Menschen mit Behinderung verstoßen werden?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Penselin
Sehr geehrter Herr Penselin,
haben Sie vielen Dank für Ihre beiden Fragen. Der hausgemachte Lehrermangel an den bayerischen Förderschulen ist uns seit langem bekannt, ebenso wie die Situation, dass ein Großteil der neu angestellten LehrerInnen an Sonderschulen nur jährlich befristete Verträge erhält. Beide Zustände halten wir Grünen für nicht akzeptabel, weswegen wir uns schon seit Jahren für eine Erhöhung der Planstellen und eine Stärkung der Förder- und Sonderschulen stark machen (s. u.a. LT-Drs. 15/2521, 15/6728, 15/9940).
Der ständige Wechsel von Bezugspersonen widerspricht massiv dem speziellen Förderbedarf der Kinder, dem auch die gegenwärtige Personalausstattung - bei allem Einsatz der LehrerInnen und Fachkräfte vor Ort, vor deren Leistungen ich meinen Hut ziehe - nicht gerecht wird.
Kurzfristige Anstellungen und Wartelisten sind den LehrerInnen gegenüber unfair und tragen nicht dazu bei, die Attraktivität des Berufes für den Nachwuchs zu erhöhen. Grundsätzlich werden wir deshalb auch in Zukunft dafür kämpfen, dass weitaus mehr LehrerInnen an Förder- und Sonderschulen eingestellt werden, und zwar mit unbefristeten Verträgen und Planstellen.
Langfristig wollen wir Grünen in Bayern ein Bildungssystem, das integriert statt ausgrenzt, sowie eine Schule, die kinderreif ist und in der es keine Selektion der Kinder nach "Schulreife" gibt. Dazu brauchen wir als Grundgerüst eine längere gemeinsame Schulzeit und einen rhythmisierten Ganztagsunterricht, um alle Kinder individuell in ihren Fähigkeiten zu fördern. Selbstverständlich gehören zu unserem grünen Schul-Konzept auch integrative Klassen, in denen stärkere und schwächere Kinder voneinander lernen können.
Kurzfristig werden wir uns dafür einsetzen, die Hürden des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes zu beseitigen, die de facto die Einrichtung von Integrationsklassen an bayerischen Regelschulen verhindern. Dass diese Möglichkeit in dem Gesetz so verbaut wurde, zeigt wieder einmal das Desinteresse der CSU an den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Danach darf die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Regelschulen ja nicht in ihrem gewohnten Gang stören oder gar noch etwas kosten!
Mit freundlichen Grüßen,
Christine Stahl