Frage an Christine Stahl von Marco V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Stahl,
wie stehen Sie zu der Tatsache, dass es immer mehr Mutter-Kind-Parkplätze gibt, aber keine Eltern-Kind-Parkplätze in der Stadt Nürnberg?
Leider musste ich feststellen, dass männliche Nutzer durch typische Nürnberger schief angesehen werden, wenn sie diese Parkplätze nutzen und auch zuweilen darauf angesprochen werden.
Aufgrund welcher Rechtsgrundlage darf meine Frau dort parken, ich jedoch anscheinend nicht?
Zeugt es nicht eigentlich von einem veralteten, konservativen Wertekanon, wenn anscheinend stillschweigend vorrausgesetzt wird, dass nur Mütter mit Kindern unterwegs in der Stadt nicht, nicht jedoch Väter?
Wird durch solche milden Formen der Diskriminierung nicht alles dafür getan, dass Väter teilweise überhaupt keine Lust haben sich im öffentlichen Familienleben einzubringen, weil konservative Wertevorstellungen immer noch die Öffentlichkeit dominieren?
Sehr geehrter Herr Vogt,
ansich ist die Ausweisung von Parkplätzen Aufgabe der Kommune und fällt nicht in Landeskompetenz. Da ich aber davon ausgehe, daß Sie mit Ihrer Frage beispielhaft das Thema Geschlechtergerechtigkeit aufgreifen möchten, antworte ich Ihnen gerne. Es freut mich zu hören, daß Sie und Ihre Frau sich die Elternarbeit gerecht teilen und deshalb verstehe ich gut, daß sie diese Arbeit auch entsprechende gewürdigt sehen wollen, bzw. Erleichterungen auch für sich als Familienvater beanspruchen möchten. Und selbstverständlich wirken sich Diskriminierungen weder auf Frauen, noch auf Männer befördernd aus, vor allem dann nicht, wenn damit Wertvorstellungen verbunden sind, die ein Elternteil in seinen Leistungen abwerten, weil nicht mit der Mehrheitsmeinung konform gehend. So sind berufstätige Frauen keine Rabenmütter, weil sie arbeiten gehen und Männer keine "Looser", wenn sie sich um die Kinder kümmern. Grüne Vorstellungen von mehr Geschlechtergerechtigkeit gehen deshalb in Richtung Aufhebung überkommener Strukturen und Rollenklischees, die nicht mehr nur als reine Frauenpolitik begriffen wird; um mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erhalten, müssen deshalb alle gesellschaftlichen Bereiche unter dem Blickwinkel "Genderpolitik" bearbeitet werden.
Allerdings bitte ich sie auch, die aktuelle Situation nicht aus den Augen zu verlieren. Es sind immer noch 95% der Frauen, die Erziehungszeit in Anspruch nehmen oder hauptsächlich für die Pflege und Versorgung von Angehörigen zuständig sind. Im Gegenzug dazu steht die eigenständige Existenzsicherung von Frauen auf wackeligen Beinen steht. Trotz guter Noten (auch hier muß die Genderpolitik zugunsten der Förderung von Jungen einsetzen) steht Mädchen nur ein enges Spektrum an Berufen mit wenigen Aufstiegsmöglichkeiten offen. Jede 4. Frau wird im Laufe ihres Lebens Opfer häuslicher Gewalt, Männer in Vergleich dazu eher selten. Nun will ich nicht die Benachteiligung von Frauen gegen die Bevorzugung von Männern aufrechnen, doch zeigen diese Beispiele, wieviel im Bereich Genderpolitik noch zu tun ist. Die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau ist da längst nicht ausreichend. Mutter-Kind-Parkplätze haben selbstverständlich auch Vätern offen zu stehen und nachdem sie sich bereits tradierten Rollenmustern erfolgreich verweigern, stehen sie sicher souverän über merkwürdigen Blicken.
Mit freundlichen Grüßen,
Christine Stahl