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Christine Stahl
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Frage von Ralf S. •

Frage an Christine Stahl von Ralf S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Stahl,

2006 wurde die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gegründet, der neue Würzburger Oberbürgermeister Rostenthal hat diese auch für die Stadt Würzburg angekündigt. Ist es nicht endlich an der Zeit, auch auf bayerischer Landesebene eine solche Anlaufstelle für Diskriminerungsopfer, Informationssuchende und Prävention zu schaffen? Wie sehen Sie das?

Die nicht schier endenden Anfragen auf Bundesebene bekräftigen mich in dieser Forderung. Ich bin mir sicher, auch in Bayern gibt es auch in Zeiten des AGG tagtäglich Diskriminerungen aufgrund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Identität, des Alters, der Religion oder Weltanschauung oder einer Behinderung.

Das AGG ist natürlich vorrangig auf europäischer bzw. Bundesebene verortet. Dennoch haben auch die Länder hier ihre Zuständigkeiten, ihre Spielräume und befinden sich somit in der Pflicht, durch entsprechende Gesetze entschieden gegen Diskriminierungen jeglicher Art vorzugehen. Für mich ist es längst geboten, dass unsere Bundesregierung ihre Obstruktionspolitik gegen die
Fortentwicklung und Harmonisierung des europäischen Antidiskriminierungsrechts aufgibt. Über den Bundesrat haben die Länder entsprechenden Einfluss. Die Länder müssen hier voran gehen und die Weichen stellen. Wie schätzen Sie das ein?

Liebe Grüße und alles Gute für den Wahlkampf!

Ralf Sauer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Sauer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage und Ihre guten Wünsche für den Wahlkampf!

Nach den mir vorliegenden Fallzahlen haben sich im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) rund 700 Betroffene hilfesuchend an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewendet, was etwa 40% der Anfragen an die Stelle ausmacht. Die restlichen 60% der Anfragen gingen auf das Konto von Verbänden, Arbeitgebern, Institutionen und Wissenschaft. Im April 2008 belief sich die Zahl aller Anfragen auf ca. 4000 seit Inkrafttreten des AGG. Zu einer von mancher Seite befürchteten Klageflut vor den Gerichten ist es bisher nicht gekommen.

Die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle auf Landesebene ist angesichts dieser Zahlen eine Überlegung wert, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Beratungsbedarf vermutlich noch größer ist als die Fallzahlen der Bundesstelle andeuten. Eine bayerische Beratungsstelle wäre wohnortnaher und hätte dadurch einen höheren Bekanntheitsgrad bei Betroffenen. Außerdem wären die Hemmschwellen niedriger, um dort Beratung zu suchen.

Gleichwohl ist auch die Alternative zu bedenken, kommunale Beratungsstellen für Diskriminierungsopfer - wie in Würzburg geplant - zu errichten und mit Landesmitteln zu fördern, da sie mit der örtlichen Lebenssituation vertraut sind und einen besseren Zugang zu den Konfliktparteien vor Ort haben.

Ihre Einschätzung, dass auch trotz AGG das Ausmaß diskriminierenden Handelns der öffentlichen Hand wie auch der Privatwirtschaft immer noch zu groß ist, teile ich. Deshalb haben wir im April die Staatsregierung aufgefordert (LT-Drs. 15/10589), längst überfällige Anpassungen vorzunehmen, um z.B. die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in zahlreichen landesrechtlichen Vorschriften zu beenden

https://www.bayern.landtag.de/intranet/ElanTextAblage_WP15/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000005500/0000005941.pdf

Zur Blockadepolitik der Bundesregierung ist zu sagen, dass diese ja gerade von der CSU betrieben wird und daher keinerlei Initiative der Staatsregierung im Bundesrat zu erwarten ist. Dies können wir nur durch einen Machtwechsel in Bayern schaffen. Im übrigen ist es ein Trauerspiel, wenn die sich doch immer auf Werte berufenden Unionsparteien sich der Anerkennung des grundlegenden Menschenrechts der Gleichbehandlung verweigert - und dass nur aus Angst vor vermeintlichen kurzfristigen Belastungen der Privatwirtschaft. Dabei ist längst klar, dass sich der Schutz vor Diskriminierung als motivierend für die Beschäftigten und gewinnbringend für die Wirtschaft auswrikt. Geradezu absurd wirkt die "Obstruktionspolitik" von CSU/CDU angesichts der Tatsache, dass die meisten Bestimmungen der bekämpften neuen EU-Richtlinie bereits ohnehin im AGG verwirklicht sind.

Mit freundlichen Grüßen

Christine Stahl