Frage an Christine Stahl von Martin D. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Stahl,
im Zuge einer von Ihnen veranlassten parlamentarischen Anfrage kam jedoch heraus, dass Bayern im Jahr 2007 Entschädigung für zu Unrecht erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen ca. 400.000 Euro zahlte, während diese Summe im bevölkerungsreicheren Nordrhein-Westfalen nur 172.000 Euro betrug.
(11. Mai 2009: http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/130-Menschen-sassen-in-Bayern-unschuldig-im-Knast-id5795321.html )
Was wird nun unternommen, um die Vorgehensweise der bayerischen Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte bei Veranlassung von Untersuchungshaft aufzuklären, die offenbar signifikant vom Vorgehen in anderen Bundesländern abweicht?
Ich selbst bin Geschädigter einer ungerechtfertigten, insgesamt über zehn Monate andauernden Untersuchungshaft mit dem Ziel der Verantwortlichen, eine unbefristete Unterbringung im forensichen Maßregelvollzug zu erreichen, wobei bis heute andauernd von den für die Freiheitsberaubung - als solche sind die Maßnahmen geltend gemacht - Verantwortlichen der Strafverfolgungsbehörde und des Oberlandesgerichtes in BAmberg quasi in Eigenprüfung die Haftenschädigung verweigert wurde. Die (ungenügende) Haftentschädigung war zuvor vom Landgericht Würzburg (Az. 814 Js 10465/09) zugesprochen worden nachdem festgestellt wurde, dass weder Straftat noch medizinische Gründe für die Maßnahmen gegeben waren!
Ist diese Praxis nicht über den Einzelfall hinaus aussagekräftig dahingehend, dass regionale Strafverfolgungsmaßnahmen der Willkür parteipolitisch geprägter, sich selbst kontrollierender Instanzen ausgeliefert sind? Was wird hiergegen unternommen, da auch das von der CSU geführte Justizministerium bislang diese Mißstände vehement ignorierte? (Az. u.a. wie oben)
Was wird darüberhinaus unternommen, die völlig unzureichende Haftentschädigung von 25 Euro/Tag realistischem Schadensersatz zuzuführen - so fordern bspw. die Grünen in Österreich eine Entschädigunfg von 100.000 Euro pro Monat bei derart schweren Grundrechtseingriffen?
Sehr geehrter Herr Deeg,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Anfrage, die ich urlaubsbedingt leider erst heute beantworte:
Auch wenn die Zuständigkeit für die Festsetzung des Haftentschädigungsbetrags beim Bundesgesetzgeber liegt, stimme ich Ihnen natürlich uneingeschränkt zu, dass der in Deutschland gezahlte Tagessatz viel zu niedrig ist und den Wert des Grundrechts auf Freiheit nicht ansatzweise angemessen würdigt. So beträgt, wie Sie richtig ausführen, die Entschädigung pro Tag unschuldig erlittener Haft nur 25 €. Nicht vergessen werden darf, dass hiervon auch noch 6 € für Kost und Logis im Gefängnis abgezogen werden. Noch beschämender erscheint, dass davor von 1987 bis 2009, also 22 Jahre lang, lediglich 11 € pro Tag erstattet wurden. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat deshalb schon im Jahr 2008 einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, demzufolge die Haftentschädigung von damals 11 € auf 50 € angehoben werden sollte.
Auch der Blick ins europäische Ausland zeigt, dass der deutsche Staat seine Bürgerinnen und Bürger für zu Unrecht erlittenen Freiheitsverlust nicht gebührend entschädigt: In den Niederlanden bekommt man bis zu 95 €, in Luxemburg bis zu 200 € pro Tag. In einigen Staaten werden einzelfallbezogene Ermessensentscheidungen innerhalb gesetzlich vorgegebener Grenzen starren Fixbeträgen vorgezogen. Ein Mindestbetrag von 50 € pro Tag Freiheitsentziehung stellt jedenfalls die unterste Grenze dar, ab der wir uns für die Schäbigkeit der heutigen Rechtslage nicht mehr schämen müssten.
Tatsächlich muss zudem in Bayern offensichtlich überdurchschnittlich oft entschädigt werden. Meine Anfrage aus dem Jahr 2009 hat hierzu beunruhigende Zahlen an den Tag gelegt.
All das verdeutlicht, dass sowohl die Regierungsparteien im Bund wie auch in Bayern nicht genug rechtsstaatliche Sensibilität für die Anerkennung staatlich begangenen Unrechts aufbringen können. Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass die politische und gesellschaftliche Debatte um eine angemessene Haftentschädigung für Justizopfer weiter gehen muss. Zudem gehe ich weiterhin der Frage nach, in welchem Umfang gerade in Bayern Unschuldige zu Unrecht ihrer Freiheit beraubt werden. Hierzu habe ich erneut eine schriftliche Anfrage an die Staatsregierung gestellt, die den Zeitraum von 2009 bis 2011 beleuchten soll. Gerne informiere ich Sie über deren Beantwortung.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Stahl