Frage an Christine Stahl von Wilfried M. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Stahl,
Sie haben ein juristisches Studium abgeschlossen und werden Art. 103 Abs. 2 GG kennen:
"Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde."
Es gibt nun - aus welchen Gründen auch immer - eine beachtliche Aufspaltung der "Rechtsmeinungen" zu der Frage der Strafbarkeit der Offenbarung von Drittgeheimnissen durch gemäß § 203 berufl. Schweigepflichtige, wenn sich nur der "Anvertrauende" mit der Offenbarung eines einen Dritten betreffenden Privatgeheimnisses einverstanden erklärt, nicht auch bzw. allein derjenige, den das ("Dritt"-) Geheimnis betrifft.
Eine Gruppierung von Juristen, zu der auch die ehem. Ministerin ZYPRIES und der Münchner Strafrechtler SCHÜNEMANN gehören, will die in § 203 StGB benannten Berufsgruppenvertreter, also Sozialpädagogen, Ärzte, Psychologen usw. straffrei stellen, wenn diese Personen Drittgeheimnisse allein mit informiertem Einverständnis des "Anvertrauenden" (man könnte wohl auch zugespitzt sagen: "Hinterbringenden") ausplaudern bzw. - womöglich gegen Bezahlung - in Gutachten oder "Berichten" unterbringen.
Ich habe das Problem ("Drittgeheimiskontroverse") öffentlich unter anderem bei Herrn MdB Geis (Link 1) und der bayerischen Justizministerin (Link 2) angesprochen.
Bitte befassen Sie sich mit der Antwort der Frau Dr. jur. Merk und bitte teilen Sie hier mit, ob Sie diese im Einklang sehen mit der doch eindeutigen Forderung aus Art. 103 Abs. 2 GG bzw. dem GG- Prinzip der Normenklarheit.
Übrigens würde kein mir bekannter ärztl. Kollege Drittgeheimnisse allein mit Einverständnis des Patienten offenbaren unter Berufung auf irgendeine "Rechtsmeinung", da uns der Eid des Hippokrates wichtig bleibt.
Mit frdl. Grüßen
W. Meißner
Justizkontrolle Bayern/ Scientologyabwehr Deutschland
(1) http://www.abgeordnetenwatch.de/norbert_geis-575-37585--f239281.html#q239281
(2) http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_beate_merk-512-19193--f239177.html#q239177
Sehr geehrter Herr Meißner,
etwas erstaunt bin ich, daß sie unseren jahrelangen Mailkontakt nunmehr über abgeordnetenwatch weiterführen möchten. Außerdem bin ich als MdL nicht in das laufende Verfahren auf Bundesebene, dennoch versuche ich Ihre Frage zu beantworten:
Wie Sie richtigerweise anmerken, darf es keine Strafe ohne Gesetz geben, nicht einmal in der schwierigen Fällen des Sexualstrafrechts, wie es das Bundesverfassungsgericht zuletzt in der Frage der Sicherungsverwahrung dargelegt hat.
Sie sprechen in Ihrer Mail den Datenschutz an, den wir besonders hoch halten, entspringt er doch dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wir gehen sicher einig darin, daß gerade der Schutz der Privatsphäre unsere Demokratie von totalitären Systemen unterscheidet. Die Abwesenheit von staatlicher Einflußnahme und Überwachung ist ein Kennzeichen eines sich selbstorganisierenden bürgerlichen Rechtsstaates, weshalb wir uns vehement gegen die ständigen Versuche der Staatsregierung wenden, unter dem Vorwand der Prävention in genau diese Privatsphäre des Bürgers/der Bürgerin einzudringen. Eine Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen zur Wohnraumüberwachung bis zuletzt zum bayerischen Versammlungsrecht hat uns in unserer Einschätzung bestärkt. Allerdings gelten Grundrechte nicht unbeschränkt, es können selbstverständlich per Gesetz Grenzen gesetzt werden, vor allem, wenn Leben und Gesundheit von Dritten (hier ist vermutlich hauptsächlich das Kindeswohl betroffen) im Raum steht. Es wird ein Abwägungsprozeß notwendig sein, um die schutzwürdigen Interessen der einen Seite mit denen der anderen Seite abzuwägen. Genau dieser Abwägungsprozeß ist in der Regel problembehaftet, nicht per se die gesetzliche Regelung. Die Normenklarheit ist hier aus meiner Sicht nicht das Problem. Es wird häufig die Frage zu stellen sein, welche Qualifikation hat der/die EntscheiderIn, wie viel subjektive Einschätzung fließt in eine Entscheidung, wer kontrolliert die getroffenen Entscheidung, wer übt welchen Einfluß aus, wer wird gehört, u.s.w.
Mit freundlichen Grüßen, Christine Stahl