Frage an Christine Scheel von Manfred B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Scheel,
in Ihrer Antwort vom 9.3. auf die Frage von Hrn. Körbel schreiben Sie:
"Warum sollte es gerecht sein, Menschen mit Mitteln der Solidargemeinschaft zu unterstützen, wenn sie das gar nicht benötigen? "
Das ist ein immer wiederkehrendes Argument von Politikern gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Und dazu meine 1. Frage:
Warum ist im Steuerrecht festgelegt, dass auch Menschen die es gar nicht nötig haben, ein steuerfreies Existenzminimum von demnächst ~8000 Euro haben?
Warum ist also im Steuerrecht zulässig was Sie gleichzeitig beim bedingungslosen Grundeinkommen kritisieren?
(Sagen Sie jetzt aber bitte nicht, dass es zu kompliziert sei, das Steuerrecht zu ändern).
Desweiteren schreiben Sie:
"Insgesamt entsteht durch eine solche Form von Grundeinkommen ein sehr starker Druck, durch kleine Beschäftigungen im Lohndumpingbereich das Lebensnotwendige ergänzend zu erwirtschaften"
Dazu meine 2.Frage:
Ist es nicht so, dass durch die HartzIV Gesetzgebung, nämlich jede(!) zumutbare Arbeit anzunehmen (also zumutbar im Sinne von Politikern, die diese Arbeit zu 1€ oder sonstigem Minientgelt nie machen würden) der Lohndumpingbereich erst geschaffen wurde?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
vielen Dank für Ihre Nachfragen zur Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Entscheidungen festgehalten, dass das Existenzminimum eines Menschen steuerfrei zu stellen ist. Deswegen werden alle 2 Jahre seitens der Bundesregierung Berichte über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern vorgelegt (zuletzt am 21.11.2008 der 7. Existenzminimumbericht, DRS 16/11065). Mit dem steuerlichen Existenzminimum korrespondiert das sozialhilferechtliche Existenzminimum in Form der Regelsätze für Erwachsene und Kinder. Wenn das soziale Existenzminimum erhöht wird, muss auch das steuerliche Existenzminimum angehoben werden. Von dem derzeitigen Steuerfreiheit bis zu 8004,- Euro/Jahr (Grundfreibetrag) kann nur der/diejenige partizipieren, der/die steuerpflichtiges Einkommen hat. Jemand ohne steuerpflichtiges Einkommen ist davon nicht betroffen. Verschiedene Modelle des bedingungslosen Grundeinkommens wollen zur Gegenfinanzierung den steuerfreien Grundfreibetrag abschaffen und ab dem ersten Euro eines steuerpflichtigen Erwerbseinkommens den Eingangssteuersatz von 14 Prozent erheben. Dies hätte zur Konsequenz, dass ein Arbeitnehmer ab dem ersten Euro nicht nur volle Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rd. 21 Prozent, sondern auch mindestens den Eingangssteuersatz in Höhe von 14 Prozent und oberhalb den steil ansteigenden progressiven Einkommenssteuertarif tragen muss. Die Gesamtbelastung aus Steuern und Sozialabgaben würde dann mit 35 Prozent ab dem ersten Euro beginnen. Es verbleibt dann wenig Netto- vom Bruttoeinkommen. Dieser Vorschlag von Grundeinkommensbefürwortern führt für alle Arbeitnehmer und Selbständigen, die auch nur ein geringes Einkommen wie z.B. im Einzelhandel verdienen, zu einer unverantwortbar hohen Mehrbelastung mit dem Umverteilungsziel Nicht-Erwerbsarbeit zu bezahlen. So etwas halte ich sozialpolitisch für nicht verantwortbar. Wir Grünen setzen uns für menschenwürdige Mindestlöhne in allen Branchen ein, um so das Lohndumping auf den Arbeitsmärkten angesichts des Überangebots an Arbeitskräften gegenüber der Arbeitsnachfrage zu bekämpfen. Die Gesellschaft kann von Erwerbsarbeitslosen erwarten, dass sie sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen und sich einer bezahlten Arbeit zu Mindestlöhnen in einer Branche nicht entziehen. Wir halten die Hinzuverdienstregelungen in Hartz IV für schlecht, weil sie so gut wie keinen Anreiz zur Aufnahme von Erwerbsarbeit bieten. Union und FDP wehren sich mit Händen und Füßen gegen menschenwürdige Mindestarbeitsbedingungen in nichttarifgebundenen Erwerbsarbeitsverhältnissen. Aber auch in tarifgebundenen Zeitarbeitsverhältnissen werden seitens der Union politische Auseinandersetzungen veranstaltet, um eine anständige Bezahlung der Zeitarbeit zu hintertreiben. Dem stellen wir unsere Forderung nach einem geregelten Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Scheel