Frage an Christine Scheel von Marian V. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Scheel.
Bekanntlich wurde das Milliarden-Rettungspaket für die deutschen Banken beschlossen. Aus meiner Sicht ein notwendiger Schritt. Dennoch fehlen mir einige wesentliche Punkte, um deren Beantwortung ich bitte:
- Diese Krise wurde durch die (teilweise unverantwortliche) Vergabe von Krediten durch deutsche Banken etc. verursacht. Die Hypothekenkrise in den USA war nur der Auslöser. Wie wird sichergestellt, dass diese Ursache in Deutschland beseitigt wird? Z.B. durch Änderung der Kreditvergaberichtlinien?
- Viele deutsche Kreditinstitute haben in ihren Bilanzen sogenannte "Schrottimmobilien" in milliardenhöhe versteckt. Welche Maßnahmen sind im Rahmen des Rettungspakets vorgesehen, um diese (von den Kreditinstituten selbst verursachten) "Schrottimmobilien"-Finanzierungen zu bereinigen?
- Wie sollen konkret die Opfer dieser "Schrottimmobilien"-Finanzierungen aus ihren Verpflichtungen entlassen werden? Wofür sonst soll das Rettungspaket gut sein?
- Wie ist die Regelung bezüglich der Rückzahlung der von den Banken in Anspruch genommener Gelder aus dem Rettungspaket? Diesbezüglich soll ja auch eine Verfassungs-beschwerde eingereicht worden sein!
Sehr geehrte Frau Veselý,
vielen Dank für Ihre Mail und Ihren Fragen zur Finanzmarktkrise.
Zunächst stimme ich Ihnen zu. Diese Krise hat ihren Ursprung im amerikanischen Subprime-Markt. Wenn Sie allerdings die teils unverantwortliche Kreditvergabe deutscher Banken kritisieren, ist nicht ganz klar, ob Sie sich auf die Kreditvergabe gegenüber Verbraucherinnen und Verbraucher beziehen, die wir mitsamt der Restschuldversicherungsproblematik ebenfalls politisch ins Visier nehmen. Oder ob Sie sich beispielsweise auf die laxe Vergabe an Private Equity oder Hedge Fonds beziehen, die dann entsprechende Hebel einsetzten und die Finanzblase damit nährten, deren Platzen letztlich Auftakt zur Finanzmarktkrise war.
Festzustellen ist jedenfalls, dass eine amerikanische Version der Kreditvergabe an Privathaushalte ohne Eigenkapitalbeteiligung in Deutschland nicht auf der Tagesordnung stand und auch künftig nicht droht. Zudem sind Banken derzeit bei der Kreditvergabe ohnehin ausgesprochen vorsichtig und dürften auf absehbare Zeit nur gegen entsprechende Konditionen Geld an institutionelle Investoren weiterreichen. Zudem setzen wir Grünen uns dafür ein, dass Kredite beispielsweise an Hedge Fonds in Zukunft stärker mit Eigenkapital zu unterlegen sind. Auch im Rahmen der Europäischen Union sind Rahmenrichtlinien für die Kontrollierung von Hedgefonds in Vorbereitung. Beides soll helfen, Übertreibungen im Markt vorzubeugen.
Was die Verknüpfung zwischen den Darlehen, mit denen sog. Schrottimmobilien finanziert wurden, und dem Finanzmarktstabilisierungspaket der Bundesregierung anbelangt, so muss ich Ihnen mitteilen, dass das Rettungspaket hierzu keine Maßnahmen vorsieht. Zwar stimme ich Ihnen zu, dass die Banken nach wie vor Kredite aus diesen Finanzierungen in ihren Büchern halten. Auch dürfte die Exit-Strategie über Verbriefungen derzeit blockiert sein. Die Problematik hat der Bundestag jedoch im Sommer 2008, insbesondere auf Druck der Grünen, mit einem Passus zu Darlehensverkäufen im Rahmen des Risikobegrenzungsgesetzes geregelt. Das Rettungspaket im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungspakets dient stärker der Absicherung von Risiken, die primär aus den Portfolien mit Asset Backed Securities (hypothekenbesicherte Wertpapiere) oder mittlerweile auch Credit Default Swaps (Kreditversicherungen, die selbst verbrieft und zu Wertpapieren und Spekulationsobjekten wurden) herrühren, sowie zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen - etwa bei der Hypo Real Estate - oder der Herstellung von Vertrauen, um den Interbankenmarkt wieder zu beleben.
Was die Konditionen anbelangt, für die eine jeweilige "Rettung" angeschlagener Institute von der Bundesregierung erbracht wird, so ist hierfür ein Rahmen im Finanzmarktstabilisierungsgesetzes und der zugehörigen Verordnung vorgesehen. Die konkreten Vereinbarungen mussten von der Wettbewerbsbehörde in Brüssel abgesegnet werden, so etwa kürzlich für die Commerzbank geschehen. Demnach zahlt ein Institut einen gewissen Zinssatz auf das gewährte Kapital beziehungsweise für die zur Verfügung gestellte Risikobürgschaft. Die Kosten haben sich an marktüblichen Sätzen zu orientieren, sollen jedoch regelmäßig in einem Korridor zwischen 7 und 9 Prozent liegen. Die Rückzahlungen sind nicht ausdrücklich im Finanzmarktstabilisierungsgesetz oder der zugehörigen Verordnung geregelt. Allerdings sagt das FMStG in § 13, dass die Stabilisierungsmaßnahmen bis 31.12.2009 befristet sind und der Hilfsfonds anschließend abzuwickeln ist. Zu einer solchen Abwicklung gehören dann üblicher Weise auch die Einbeziehung von Forderungen gegen die Institute, die Hilfen in Anspruch genommen haben. Die Details werden allerdings in den Verträgen geregelt, die den Stützungsaktionen zu Grunde liegen.
Über die Berichterstattung gegenüber dem Haushalts- und Finanzausschuss werden wir Grüne sehr genau darauf achten, welche Regelungen getroffen wurden, um sicherzustellen, dass mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verantwortungsvoll umgegangen wird. Auch gehen wir davon aus, dass es im Nachgang zu den Stabilisierungsmaßnahmen diverse rechtliche Überprüfungen geben wird. Über Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht hinaus sind Klagen auf Schadensersatz gegen verantwortliche Vorstände und Aufsichtsräte vor Zivilgerichten zu erwarten. Auch die Staatsanwaltschaft hat ja bekanntlich bereits Ermittlungen in einigen Fällen, u. a. bei der Hypo Real Estate, aufgenommen.
Wir werden weiterhin die Schritte der Bundesregierung zur Finanzmarktstabilisierung kritisch beleuchten und uns insbesondere dafür stark machen, dass die Belange der Steuerzahler und Anleger nicht zu kurz kommen. Das zeigt uns, in welchem Bereich die Bürgerinnen und Bürger besonderen Aufklärungsbedarf sehen.
Mit freundichen Grüßen
Christine Scheel